Ich bin Schneewittchen

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Ratsch
Ich bin Schneewittchen
Meine Haut so weiß wie Schnee,
Meine Lippen so rot wie Blut,
Meine Haare so schwarz wie Ebenholz
Ich werde Schneewittchen genannt
Die, mit dem langen Gewand
Mit den langen Ärmeln
Um die Hüfte ein Band
Ich trage es immer am Leib
Wenn es Winter ist und schneit
Und auch wenn die heiße Hitze des Sommers
Am Abend verweilt

Ratsch
Es war einmal
Vor langer Zeit
Eine 13 Jahre alte Prinzessin
Die mit ihrer besten Freundin
Zu zweit in einem Teich
Schwimmen ging
Die Prinzessin schritt ans Ufer heran
Und begann
Ihr Gewand auszuziehen
Ließ es fallen
Und dann dort liegen
Streckte die Arme aus, weiß wie Schnee
Um der kühlen Freiheit zu verfallen
Eins zu werden mit dem See
Setzte zum Sprung an und…
Prinzessin, du hast ja sehr viele Haare auf dem Arm
Die Prinzessin verspürte Scham
Sie lief rot an
Ihr Gesicht wurde so warm
Sie zog den Umhang wieder an
Und sagte: Zum Schwimmen habe ich keine Lust
Der Umhang war nicht länger nur mit langen Ärmeln,
Sondern mit einem Reißverschluss!
Sie zog ihn zu

Ratsch
Die ganzen Prinzen auf dieser Welt
Mussten ihr nie ein Gewand leihen
Durften sie nie aus ihren Kleidern befreien
Sie fühlten sich einmal nicht wie der Märchenheld
Oh, es hatte der Männer-Seele sehr zugetragen
Und sie geplagt
Denn immer, wenn sie fragen
Wieso tragt
Ihr euren Umhang, selbst bei solch warmen Tag
Würde die Prinzessin nur sagen
„Ach, über die Hitze kann ich mich nicht beklagen“
Die edlen Ritter
Der Tafelrunde
Dachten sie sei verbittert
Und beschlossen wer seine Lippen auf ihrem Munde
Im Schlaf
Als Erster legen darf
Die weißen Cis-Männer fantasierten
Oh, stimmt zu dieser Zeit waren sie noch gar nicht am Existieren
Naja egal, sie beschlossen auch noch
Frauen haben nur Haare auf dem Kopf
Am besten geflochten in einem schönen langen Zopf
Dann ließ es sich ganz leicht packen, an ihrem Schopf
Sie sollten sich rasieren, waxen oder epilieren
„Denn du gehörst nicht zu den Damen mit Haaren auf den Armen“
Und unsere Prinzessin war mit ihren Armen ganz schön arm dran
Dort stand es weiterhin, schwarz auf weiß
Ihre Haut weiß
Ihren Umhang trug sie nicht mit Stolz
Sondern nur wegen den Armhaaren
Die so schwarz waren
Wie Ebenholz

Ratsch
Die Prinzessin holte sich einen Rasierer, Wachs und einen Epilierer
Sie setzte an…
Ratsch, ratsch, ratsch
Und wahrlich die Angelegenheit war haarig
Aber sie traf genau ins Schwarze
Sie nahm sich ein Streichholz
Und ratsch
Setzte das Ebenholz
In Brand
Sie hatte sich selbst jedes Haar gekrümmt
Mit einem Kamm
Durchkämmte sie ihren Körper nach jedem einzelnen Haar
Doch am nächsten Tag
Kamen sie wieder
Die Stoppeln
Sie rasierte immer drüber
Das machte es alles noch schlimmer
Über der Haut waren anstelle ihrer Armhaare
Nun kleine Rasiernarben
Dreidrittel
Der Arme waren kleine Pickel
Ihre Haut fühlte sich an
Als hätte sie sich verbrannt
Ihre armen Arme
Sie trug ein Pflaster auf
Aber es gibt kein Pflaster, das alles bedecken kann
Es tat so weh
Ihre Arme so heiß wie Feuer
Ihre Haut wie kalter Schnee
Wenn sie Gänsehaut bekam
War sie keine Gans mit weißen Federn
Zum Fliegen
Sondern sah sich eher
Gehäutet im Supermarkt in Plastik liegen
Denn ihr Körper war nicht länger ihr Eigentum
Sondern nur für den Konsum, gedacht
Und so rissen sie all ihre Pflaster ab

Ratsch
Wenn sie über ihre Haut streichen
„Das gleicht etwas sehr Weichem“
Aber dann wird schnell realisiert: „Du hast deine Arme rasiert?“
Und an einem Tag als sie mal keine Zeit hatte sich zu rasieren
Als der Wind ihren Umhang kurz aufzwang
Sie mit ihren Armen sich ertappt umschlang
Fingen alle an sie zu fixieren
Sie nur auf ihre Behaarung zu reduzieren
Spielten mit den Stoppeln
Die Prinzessin sagte Stopp
Aber sie streichelten weiter ihre Arme
Als wären wir im Streichelzoo mit zahmen Tieren,
Die tagtäglich Hände auf sich spüren
Die Tiere können nicht ausreißen
Wenn sie ihnen die Haare rausreißen

Ratsch
Schneewittchen ist mein Name
Ich bin die mit den schneeweißen Armen
Ich besitze keinen Stolz
Meine Armhaare sind so schwarz, wie Ebenholz
Ich habe nur meine Wut
Meine Rasierpickel, rot wie Blut
Dein Schneewittchen
Dein Märchen
Erzählt von dir, einem Mann
Ich werde in dein Märchen reingezwängt
Von dem Gewand
Mit den langen Ärmeln und dem Reisverschluss
eingeengt
Ich sage ich rasiere
Mich für mich
Aber das stimmt nicht
Ich mache es nur für euch Prinzen
Für diese Freundin, die eigentlich keine Freundin ist
Um ein Haar hätte ich mich aufgegeben
Naja okay, nicht nur ein Haar, sondern viele aber
Aber ich hätte mich fast aufgegeben!
Ich würde gerne selbst meine Geschichte erzählen
Und wählen
Ob ich Haare haben will
Oder nicht
Ob ich mich rasiere, waxe oder epiliere
Für mich
Ich hebe meine Arme hoch
Und dann
Ratsch
Zerreiße ich meinen Umhang
Und ratsch ich zerreiße dieses Märchen
Alles nur wegen ein paar Härchen!
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute

Ende