WG-gefunden: Warum man auf einmal mit Fremden die eigene Dusche teilt

Wenn man es so sieht, müssten unsere Eltern die ersten Menschen sein, die etwas gegen unsere Mitbewohner:innen haben. Immerhin wohnt ihr Kind mit einer fremden Person nicht nur im selben Haus, nein, in der selben Wohnung. Nicht dass Fremde unbedingt kriminell, gewalttätig oder auf sonstige Art und Weise shady sind, wir wollen nicht anfangen hier Dinge zu unterstellen. Aber wenn ich sage, dass meine Eltern meinem 4-jährigen Ich schon einbläuten, dass ich mit niemand Fremden nach Hause zu gehen habe, dann bin ich damit sicher nicht alleine. Und heute wohne ich mit sogar zwei Fremden zusammen, chapeau liebe Eltern, ihr habt eure Erziehung meisterhaft durchgesetzt!

Mal abgesehen von der Tatsache, dass ich also die selbe Dusche, die selbe Küche und die selbe Toilette mit zwei fremden Menschen meines Alters benutze, gibt es so einige Momente, in denen man sich doch eigentlich wünschen würde, dass gerade Fremde einen nicht erleben würden. 

Die erste Grippe, bei der man es nicht mehr aus dem Bett schafft, um sich einen Tee zu kochen, der Bierpong-Abend, nach dem man viel zu betrunken nachts in die Wohnung stolpert oder der erste Beziehungsstreit mit Liebeskummer, bei dem man wie ein aufgequollenes Häufchen Elend durch die Wohnung schlurft. Private, manch unangenehme Momente, die man nicht mit jedem Menschen teilen will. 

Doch manchmal werden gerade diese schrecklich schwachen Momente zu Verbundenheit. Der unaufgeforderte Tee auf dem Nachttisch, das Kater-Frühstück am Morgen oder die lange Umarmung um 3 Uhr nachts, die die Tränen nicht komplett wegzaubert, aber doch irgendwie erträglicher macht. 

Das, was unsere Eltern früher für uns waren, die Tröster, die Retter, die Superhelden in unseren kleinsten und größten Katastrophen, das sind nun gleichaltrige Fremde, die im Zimmer nebenan manchmal zu laut Musik hören und den Teller tagelang in der Spüle stehen lassen. Die, die noch öfter als man selbst zu spät und zu betrunken nach Hause kommen, die, die manchmal auch ihren Scheiß nicht geschissen bekommen und die, die auch manchmal ein offenes Ohr und eine Umarmung brauchen. Das, was unsere Eltern früher für uns waren, das sind wir nun füreinander. 

Es einfach als Freundschaft zu betiteln wäre an dieser Stelle nicht treffend. Sonst wäre ein WG-Casting auf einmal mit einer Freundschafts-Version vom Swipen auf Tinder oder einer Light-Version von unangenehmen Speed-Dating-Events zu vergleichen. 

Mitbewohner:innen sind ein anderes Level. Eine komische Mixtur aus Fremdheit und Vertrautheit, aus Eigenarten und Gemeinsamkeiten, aus auf die Palme bringen und Nervereien. Aber am meisten dann doch irgendwie das Gefühl von Zuhause.