Kaffee diem

Bildquelle: Vincent Rastfeld

Für einen kurzen Moment breitet sich ein Gefühl tiefen Friedens in mir aus, als sich meine Tasse Kaffee über den Laptop ergießt. Für einen sehr, sehr kurzen Moment.

Was darauf folgt sind Hektik und Panik. Der Laptop wird hochgerissen und Myriaden Schnipsel Küchenrolle werden genutzt, um so viel wie möglich von der braunen Suppe aus den noch so kleinen Ecken dieses Mittelpunktes des modernen Studierendenlebens zu ziehen.
Und doch: Das Gefühl innerer Ausgeglichenheit wird nicht vollständig verdrängt. Im Gegenteil, im Laufe des Tages setzt es sich sogar weiter fest.

Das Ganze ist nun ein paar Tage her. Und mittlerweile meine ich zu wissen, wieso es mir so ging. Denn in dem Moment, als die Tasse lag und der Kaffee lief, wurde mir mal wieder bewusst: Selbst wenn alles minutiös geplant und durchstrukturiert ist- Unerwartetes kann immer passieren. Plötzlich geht etwas schief, das den ganzen Plan stört. Und dieses Gefühl hat mir für den Bruchteil einer Sekunde und für den Rest des Tages ziemlich gut getan.
Im Studium, und noch mehr seitdem dieses Studium größtenteils digital stattfindet, hängt so viel von mir selbst ab. Sei es das Lernen für eine Klausur, die Organisation der Kurse oder die Suche nach der ultimativen Tätigkeit, die nach dem Studium mal der Beruf werden soll.

Es wird immer ein Plan für die Zukunft gebraucht. Sonst, so das Gefühl, wird nichts passieren. Doch als sich der Kaffee auf, unter und in der Tastatur ausbreitete, war die Planung für den Tag und die kommenden Wochen oder Monate nicht nur auf der Kippe, sondern völlig egal. In diesem Augenblick musste ich mich einzig und allein auf dieses Problem in der Gegenwart konzentrieren. Es war diese erzwungene Entschleunigung meiner Pläne, die mir einen kurzen Moment der Achtsamkeit beschert hat.

Versteht mich nicht falsch. Während ich diesen Text auf meinem, ebenfalls vom Kaffee gezeichneten Collegeblock entwerfe, während mein Laptop noch immer in Reparatur ist, habe ich mich bereits ausgiebig über meine Schusseligkeit geärgert und mir grimmig geschworen, nie mehr ein Getränk auf meinen Schreibtisch zu stellen.
Doch das Schöne ist, um das Gefühl des im-Moment-Seins nochmal zu erleben, brauche ich nicht jedes Mal meinen Laptop zu fluten und mich in finanzielle Schieflage zu bringen. Es gibt viele Momente im Alltag, die sich nicht kontrollieren lassen und die auf den ersten Blick störend oder hinderlich sind. Ob es nun der Stau auf der Autobahn ist, das Festhängen in einem verspäteten Zug oder das lange Warten an der Supermarktkasse. Sie alle lassen die Wahl: Sie können die Stimmung versauen oder einen kurzen Moment des Durchatmens ermöglichen.

Um eine Karte zu zitieren, die ich nicht mehr vor dem Kaffee retten konnte: „Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.“ Und da das nicht nur für die negativen Dinge gilt, ist ein entspanntes Zurücklehnen und überraschen lassen auch manchmal erlaubt.