Angeblich denken Menschen 18 Mal pro Tag an Sex. Ich denke 18 Mal am Tag an meine Haut. Es gibt Dinge im Leben, die zwar wie Kleinigkeiten scheinen, um die aber das halbe Leben drum herum geplant werden muss: zum Beispiel die Spaziergänge mit dem Hund oder die Haarwäsche (die Lockenköpfe und Kraushaarigen können sicherlich relaten). Bei mir ist es meine Haut.
Nachdem ich letztes Jahr aufgehört habe die Pille zu nehmen, hat meine Haut aufgehört unproblematisch zu sein. Ich habe nicht nur ein paar Pickel bekommen, die mit einer gesunden Ernährung und ein paar guten Produkten plötzlich weg waren.
Ich hatte Akne und die führte nicht nur dazu, dass ich mich nicht schön gefühlt habe, sie tat auch verdammt weh. Sie tat nicht nur weh, sie war Rotwein auf der weißen Hose. Hartnäckig. Ich habe alles versucht: Ich habe so viel über Hautpflege gelernt, dass man mir ohne Medizinstudium eine Dermatologie-Praxis schenken könnte, ich war beim Dermatologen, ich habe mich gesund ernährt (meistens), habe nicht geraucht (meistens) und habe keinen Alkohol getrunken (meistens).
Die Maskenpflicht und das Make-up, mit dem ich mir jeden Morgen mein Gesicht verspachtelt habe, waren in dieser Zeit das Einzige, was mir geholfen hat. Jedenfalls, was das Versteckenspielen angeht, denn Make-Up und Masken sind nicht gerade Wundermittel, wenn es darum geht, Akne oder ein kaputtes Selbstbewusstsein zu heilen.
Ende der Geschichte: Nichts hat geholfen. Nach einigen Monaten habe ich es nicht mehr ausgehalten und mir die Pille, dieses Teufelszeug, wieder verschreiben lassen. Siehe da: alle Pickel sind weg. Man könnte meinen, ich hätte das Problem – bis auf ein Paar übrig gebliebene Pickelmale, die Rudimente meiner Akne – gelöst.
Wenn das nur so einfach wäre.
Die Pickelmale sind immerhin noch da, meine Haut neigt zur Sensibilität und Trockenheit und hin und wieder, wenn ich etwas zu viel Zucker esse, etwas zu viel Stress habe und etwas zu wenig schlafe, bekomme ich immer noch manchmal Pickel.
Wenn ich so drüber nachdenke, klingt das nach sehr viel Stress für ein vergleichsweise so klein scheinendes Problem. So klein wie es scheint, ist es allerdings nicht. Laut einer kanadischen Studie aus dem Jahr 2018 erkrankten 18,5 Prozent der jungen Menschen mit starker Akne an Depressionen. Bei der Kontrollgruppe, die aus Menschen ohne Akne zusammengesetzt war, waren es nur zwölf Prozent.
Auch wenn ich keine Akne mehr habe (jedenfalls solange sie durch die Pille unterdrückt wird), ist meine Haut nach wie vor ein großes Thema. Dafür, dass ich keine akuten Hautprobleme mehr habe, nimmt es viel zu viel Platz in meinem Kopf ein. Platz und Energie, die ich in andere Dinge stecken könnte. Ich bin in den letzten Wochen häufig über den Begriff „body neutrality” gestoßen. Dabei geht es nicht darum, seine „Makel” zu feiern und sie schön zu finden. Es geht darum sie anzuschauen, sie dafür zu akzeptieren, was sie sind und sie nicht mit wertenden, positiven Adjektiven zu bestücken. Das Augenmerk liegt nicht darauf, wie der eigene Körper aussieht und wie schön er ist, sondern darauf, wie man sich fühlt.
Genau dieses Konzept möchte ich auf meine Haut anwenden. Ich werde mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit niemals in meinem Leben eine perfekte, mit Feuchtigkeit versorgte und Unreinheiten-freie Haut haben. Es wird Zeit, dass ich merke, dass ich nunmal kein gefotoshoptes VOGUE-Cover bin. Weil das so ist, könnte ich gleich einfach damit aufhören, mich, mein Aussehen und allem voran mein Wohlsein über meine Haut zu definieren und mein Selbstbewusstsein darunter leiden zu lassen.
Meine Haut zu hassen und ihr so viel Raum in meinen Gedanken zu geben, ist ein Denkmuster, das ich erlernt habe und bei dem der Switch zur „Skin-neutrality” nicht so einfach sein wird. Momentan bin ich dabei, einen Friedensvertrag mit meiner Haut auszuhandeln, nachdem ich so lange mit ihr im Krieg war. Der Versuch, sich täglich daran zu erinnern, dass Pickel, Falten oder trockene Stellen einem selbst mehr auffallen als Anderen, ist schonmal ein guter Anfang.