Die Macht des Wählens: Warum die Alten die Wahlen bestimmen und die Jungen daran nicht unschuldig sind

Bildquelle: pexels.com

Der Countdown läuft. Deutschland steht kurz vor der Bundestagswahl und die Monate, in denen die Parteien und ihre Kandidat:innen versuchen konnten, uns von sich zu überzeugen, gehen zu Ende. Nun werden an diesem Sonntag über 61 Millionen Wahlberechtigte die Möglichkeit haben, ihre Stimme abzugeben.

Für den einen oder die andere von euch, ist es vielleicht die erste Wahl, bei der ihr selbst mit abstimmen dürft. So wird es an diesem Sonntag insgesamt 2,8 Millionen Erstwähler:innen gehen. Meine erste Bundestagswahl war 2017. Mein Verständnis von Demokratie und Politik hat sich durch die Teilhabe an der Wahl zwar nicht verändert, mein Bezug zur Bundestagswahl schon. Schließlich war meine Stimme im Ergebnis mit drin. 

Jetzt vier Jahre später stehen wir wieder vor einer Bundestagswahl. Einer Richtungswahl, wie Angela Merkel sie nennt. Und eines ist bei dieser Wahl klar: Die zukünftige Regierung wird nicht von der amtierenden Bundeskanzlerin angeführt werden. Die Ära Merkel geht nach 16 Jahren zu Ende und nicht nur die Tatsache, dass sie geht und nicht abgewählt wird, macht diese Wahl einzigartig. Für unsere Generation ist es der erste Regierungswechsel, den wir aktiv mitbekommen.

Als Angela Merkel im November 2005 die erste Bundeskanzlerin Deutschlands wurde, habe ich meinen siebten Geburtstag gefeiert. Alle politischen Krisen der vergangenen Jahre hatten Merkel gemeinsam. Die Kontinuität und Ruhe ihres Regierungsstils hat uns als Generation und als gesamte Gesellschaft geprägt. Auch die ganze Welt hat sich in diesen 16 Jahren verändert. 2005 gab es nicht einmal das erste iPhone auf dem Markt und Amazon war nur ein nationales Unternehmen, das online Bücher verkaufte. 

Heute stehen wir in Deutschland unmittelbar vor einem politischen Neuanfang. Es ist die erste Bundestagswahl unter Corona, in der der Klimawandel als eines der wichtigsten Wahlthemen abschneidet und es ist eine weitere Wahl, die unter dem Zeichen des demographischen Wandels steht. Denn die Stimme der jungen Generation, unsere Stimme, ist im ganzen demokratischen Apparat verhältnismäßig leise. Die Mitte der Gesellschaft, das sind schon lange die Älteren in unserer Gesellschaft. 

Bei dieser Wahl ist jeder fünfte Wahlberechtigte älter als 69 Jahre. Wir, die unter Dreißigjährigen, machen lediglich 14% aus. Aber auch über Wahlen hinaus haben die Älteren unserer Gesellschaft eine überproportionale Macht. Sie sitzen in unseren Parlamenten und in den meisten Chefetagen. Ohne zynisch zu klingen lässt sich sagen: Bei dieser Wahl bestimmen die Alten über die Zukunft der Jungen. Diese Wahl entscheiden die Boomer und ihre Eltern. 

Aber wir als junge Generation können uns auf dieser Tatsache trotzdem nicht ausruhen. Es gibt nämlich noch eine andere Komponente, die dieses Missverhältnis pusht: Keine andere Wähler:innengruppe geht mit Blick auf die vergangenen Bundestagswahlen so selten wählen wie die Menschen unter 30. Nicht mal 70% der Wahlberechtigten unter 30 war 2013 und 2017 wählen. Wir marginalisieren uns also selbst, in dem wir unsere Stimme nicht nutzen. 

Was heißt das also für uns? Bei dieser Bundestagswahl wählen zu gehen war selten so wichtig wie jetzt. Denn auch wenn wir uns in den Jahren unter Merkel dem vielleicht nicht bewusst waren: Politik beeinflusst unser aller Leben tagtäglich. Ob ich mein Studium selbst finanzieren kann, ob ich Handyempfang habe oder ob ich mir Solarverstromung leisten kann: das alles hängt von politischen Entscheidungen ab. 

Dementsprechend ist die Quintessenz dieses Textes: Lasst uns nicht darauf ausruhen, dass wir in der Unterzahl sind. Wer seine Stimme nicht nutzt, kann nicht darauf hoffen, dass wir in den kommenden Jahren einen diversen Bundestag, der nicht nur die Älteren unserer Gesellschaft widerspiegelt und sich den Problemen unserer Zeit stellt. Demokratie ist ein Privileg und eine Chance auf Veränderung und Verbesserung.