Die (Ohn)Macht der jungen Generation

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Ich habe Recht und du hörst mir jetzt zu. Ich habe Autorität und du Respekt vor mir. Nach diesem Schema findet Erziehung in den meisten Fällen heute noch statt. So war das in Teilen bei mir, meinen Freund:innen und in der Schule. Jugendliche sind dumm, faul, dreist und oberflächlich und haben deshalb auch nichts zu melden. Die können doch eh nur Selfies machen und sich Schminktutorials angucken bis ihre Augen viereckig werden.  Natürlich haben ältere Menschen mehr Lebenserfahrung als ich je hatte. Natürlich ist es häufig sinnvoll auf den Rat älterer, erfahrener Menschen zu hören. Aber warum beruht das nicht auf Gegenseitigkeit? Mama weiß oft mehr, aber eben nicht immer. 

Und das war schon immer so. “Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.” Dieses Zitat stammt nicht von meinem ehemaligen Alt-68er Mathelehrer. Es ist von Sokrates, der sich bereits irgendwann zwischen 470 und 395 v.Ch. über die Jugend echauffiert hat. Aber woher kommt diese herablassende Einstellung jungen Menschen gegenüber? Werden wir wirklich immer fauler, oberflächlicher und respektloser? Wie sollen wir die anderen doch auch vom Gegenteil überzeugen, wenn wir von Beginn an als unnützes Blag abgetan werden? Ich glaube nicht, dass wir so furchtbar sind, und falls doch: der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. 

Aber warum werden junge Menschen so oft nicht ernst genommen? Nicht gehört? Vergessen? Die Corona-Pandemie hat uns doch eindrücklich gezeigt, dass wir in der Prioritätenliste der Politik ziemlich weit unten stehen. Der Kontrast zwischen vollen Fußballstadien und leeren Hörsälen bringt das nicht besser auf den Punkt.  

Warum qualifiziert Erwachsen sein, was auch immer das bedeutet, zum letzten Wort und dazu über die Zukunft junger Menschen zu entscheiden? Ihre Lebensrealität ist – vor allem in so schnelllebigen Zeiten wie heute – eine ganz andere als meine. Ich werde später mit ihren Entscheidungen leben müssen, nicht sie. 

Fridays for Future ist dafür ein Beispiel wie aus dem Bilderbuch. Die Bewegung wurde damals von sehr vielen weißen alten Männern zynisch kommentiert und belächelt. Hör auf dich lächerlich zu machen und geh mal lieber wieder in die Schule, da gehörst du hin. Christian Lindner, der Bundesvorsitzende der FDP sagte in einem Interview der Kampf gegen den Klimawandel sei „eine Sache für Profis.“ Vielleicht hat der Cornelius oder die Annika aus dem Deutsch-LK nicht das Wissen oder die Ressourcen den Klimawandel zu stoppen. Aber wo waren die sogenannten Profis all die Jahre? Fridays for Future hat im Bereich Klimaschutz mehr erreicht, als die Bundesregierung im letzten Jahrzehnt je geschafft hat. Wann haben „die Profis“ zuletzt eine Massenbewegung in Gang gesetzt, die das Thema Klimawandel medial so hochgepusht hat, dass es sich sogar auf den aktuellen politischen Diskurs und Wahlkampfdebatten so stark ausgewirkt hat, dass sich die Grünen von einer Randpartei zu einer der stärksten Kräfte im Land entwickelt haben? Macht das mal nach ihr Profis. Und regt euch nicht so schnell über uns auf. Das ist schlecht für euren Blutdruck. 

Wir verbreiten Infos, teilen und tauschen uns aus wie keine Zweiten. Wir leben im Zeitalter der frei verfügbaren Informationen und des Internets. Wir sind die Generation, die am besten weiß wie dieses Internet funktioniert. Das spricht für uns. Wir haben die Ressourcen es manchmal vielleicht doch ein kleines bisschen besser zu wissen. Also sprecht mit uns, fragt uns, diskutiert mit uns, hört uns zu. Und wenn nicht, machen wir das einfach selbst. 

Ich habe den Eindruck, dass wir uns durch den Aufstieg von Social Media eine eigene Plattform aufgebaut haben, um gesehen zu werden, um gehört zu werden, um laut zu sein und um Debatten zu führen. Die  Art und Weise wie wir jungen Leute die Medienlandschaft aktuell gestalten und für uns formen, hat es in dieser Größenordnung vorher nicht gegeben. Durch Plattformen wie Instagram oder YouTube haben wir uns eine eigene Nische geschaffen. Eine beeindruckende Leistung, wie ich finde. Früher wurden die Augen gerollt als die Bravo gelesen wurde, 20 Jahre später als Instagram-Storys gemacht wurden. Und heute machen unsere Eltern selbst Instagram-Storys. 

Trotzdem muss ich mir selbst immer wieder eingestehen, dass ich nachvollziehen kann, woher diese Abwertung und dieser Spott über die Jüngeren herkommt. Ich bin 22. Ich gehe als sehr junger Mensch durch. Ich gehöre zur Gen Z. Aber trotzdem erinnere ich mich an VHS-Kassetten, lineares Fernsehen und eine Zeit in der man SMS geschrieben hat, indem man mehrmals auf eine Taste drücken musste, um nur einen Buchstaben einzugeben. Ich stehe irgendwo zwischen Nintendo64 und TikTok. Und doch erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich mich über 13-jährigen Bruder und seine Freund:innen mit ihrer bescheuerten Obsession mit irgendwelchen YouTuber:innen und ihrer nervigen Sprache aufrege. Wer sagt denn bitte „Bruh“?! Was soll das?!