Ich fühle mich verloren. Nicht auf eine theatralische Art und Weise, eher wie jemand, der mit seinen Eltern im Wald ist, dann aus lauter Unachtsamkeit und weil er seinem Hund hinterher jagt, plötzlich allein dasteht. Egal in welche Richtung man sich bewegt und versucht die Orientierung zurück zu erlangen, man verirrt sich immer weiter.
Als ich 2018 mein Abitur abgeschlossen habe, war die Richtung noch nicht so wirklich klar, aber immerhin gab es Ideen, Pläne oder einfach Dinge, die mich interessierten. Aufgrund meines Literaturkurses, in dem wir unseren eigenen Film nur mit ein paar Hirngespinsten zusammengebastelt haben, war meine Faszination für Medien, insbesondere Film, geweckt. Meiner Kreativität freien Lauf lassen und meiner Seele Atem verschaffen, klang nach einer Bestimmung, die ein ganzes Leben ausfüllen konnte.
Nach meinem Praktikum in der Medienproduktion war ich mir unsicher, ob die Medienlandschaft langfristig mein Zuhause sein könnte. Ja, die Arbeit hat mir großen Spaß gemacht, doch irgendwie klang das alles so, als würde ich auf sehr wackeligem Boden laufen. Andauernd hörst du von dem großen Haifischbecken „Medienbranche“ und fragst dich: „Wieso sollte es ausgerechnet mir gelingen, darin zu überleben?“ Aus Angst, welche nie eine gute Grundlage zum Entscheidungen treffen ist, suchte ich mir lieber was anderes, etwas „sichereres“. Versteht mich nicht falsch, ich bin mir heute sicher, dass es die richtige Entscheidung war, weil ich heute mit einem Lächeln auf die Zeit zurückblicke.
Etwas Sicheres zu finden war jedoch schwieriger als gedacht. Weder die Medienlandschaft wollte etwas lukratives ausspucken, noch gab es ein Studium, was mir irgendwie gefallen wollte. Nach anderthalb Monaten herumreisen, die man quasi allein verbracht hat, ist es ein komisches Gefühl wieder an einem Ort zu sein, an dem du jemand bist, wenn du vorher sein konntest, wer du willst, und du nun entweder dir oder anderen gerecht werden musst. Gefangen in einer Lehranstalt, die ich bald schon wieder verlassen sollte, stellte ich mir die Frage, was das alles überhaupt soll. Will ich das hier? Will jemand Anderes das hier von mir? Und wenn nicht, was will ich dann?
Bis heute habe ich keine wirkliche Antwort gefunden. Ich weiß, dass ich weitermachen will. Aber was? Keine Ahnung. Manchmal fühle ich mich so, als wäre ich in die falsche Welt hineingeboren worden. Und nun steck ich in einer Situation, in der weder ich noch die Welt so wirklich wissen, was wir jeweils miteinander anfangen sollen. Egal, was ich vorhatte, beziehungsweise habe, es lässt sich schwierig in die Tat umsetzen. Es ist so, als würdest du dein Leben wie in einem Film vor dir sehen. Du siehst die Dinge, die sein könnten und die Dinge, die du unbedingt willst. Doch du tust nichts um sie zu erreichen. Aus irgendeinem Grund wirst du aufgehalten. Die Leinwand trennt dich von dir und deinen Zielen.
Ich weiß nicht woher diese Antriebslosigkeit kommt und vor allem weiß ich nicht, was man gegen sie macht. Sie lässt einen nicht los und man hat Schwierigkeiten, sich von irgendwas zu überzeugen. „Morgen mach ich das“, „ Morgen steh ich früh auf, um das zu erledigen“ sind nur ein paar der Sätze, mit denen man sich täglich selbst belügt. Ehe du dich versiehst, hast du Angst deine Zeit mit dem zu verschwenden, was du tust, beziehungsweise nicht tust. Du sehnst dich nach jedem verlorenen Tag hinterher und wünschst dir so sehr, dass er zurück kommt, dass der nächste ebenso an dir vorbei zieht. Zeit ist wohl unsere wertvollste Ressource, obwohl die meisten sich mittlerweile für das Geld entschieden habe. Sie geben jetzt alles dafür, dieses umzutauschen, obwohl der Wechselkurs nicht beschissener sein könnte.
Ich hab angefangen, nur noch in Wochen zu denken, mir nicht mehr so große Ziele zu setzen und vor allem weniger Erwartungen an bestimmte Dinge zu haben. Ich bin geduldiger geworden und versuche, den Dingen Zeit zu geben. Der Druck aus der wenigen Zeit, die man hat, etwas sinnvolles zu machen, ist extrem hoch und dann ist man am besten noch relativ glücklich dabei.
Wie dem auch sei, ob man sein Leben dann letztendlich so gelebt hat, wie man das wollte, kann man wohl erst gegen Ende sagen. Und solange wir auf das Ende dieses bisher doch ganz guten Filmes warten, können wir noch ein wenig die Füße hochlegen und den unsympathischen Typen ein paar Reihen vor uns mit Popcorn abwerfen.