„Ich weiß, dass mein Gehalt für meinen Job zu wenig ist.“

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Fragt man seine Mitmenschen nach ihrem aktuellen Kontostand? Reflexartig würde vermutlich jeder von uns sofort darauf mit „Nein“ antworten. Schließlich hört bei Geld die Freundschaft auf, so sagt man. Dabei ist Geld in unserem Alltag omnipräsent und kann auch in sozialen Beziehungen eine Rolle spielen. Jacob Maibaum fragt deshalb genau nach. Alle Interviewpartner:innen haben sich dabei selbst ein Alias ausgedacht. Anonym und doch so persönlich. Der Zahltag beim Canapé Magazine. 

Die zweite Interviewgästin Anna hat Betriebswirtschaft und Chinesisch studiert und ist vor kurzem als Produktmanagerin in ein Pharmaunternehmen eingestiegen. Mit Canapé hat sie über ihre finanzielle Situation, die ungleiche Bezahlung und den Umgang mit Gehältern in ihrem Unternehmen gesprochen.


Anna, was ist deine aktuelle Geldquelle?
Ich arbeite in Vollzeit (40 Std.) als Produktmanagerin in einem Pharmaunternehmen. Und seit gestern bin ich auch noch Yogalehrerin. Das ist aber eher Taschengeld, was ich neben meinem Gehalt zusätzlich verdiene. Ich mache das aus Überzeugung und weil ich Spaß daran habe.

Wie viel Geld ist aktuell auf deinem Konto?
Ich habe vier Konten, davon ein Hauptkonto mit Rücklagen, dort sind 3.329 Euro drauf. Dann habe ich ein Verbraucherkonto, davon bezahle ich vor allem Benzin, dort sind aktuell 345 Euro drauf. Und mit meinem Partner habe ich ein Haushaltskonto, damit bezahlen wir unsere Miete und ähnliches. Dort sind noch 1020 Euro drauf. Das vierte Konto ist aktuell leer. Dort kommen meine Yoga-Einnahmen drauf. 

Was ist dein monatliches Netto-Einkommen?
Das sind circa 2.100 Euro. Was das Yoga zusätzlich einbringt, kann ich noch nicht sagen, weil ich davon ausgehe, dass es jeden Monat variieren wird. Ich denke aber, das werden so um die 300 Euro monatlich sein. 

Wie viel steht dir nach den Fixkosten zur Verfügung?
Meine Fixkosten mit Essen und Sprit sind durchschnittlich 1.160 Euro. Ohne Essen und Sprit habe ich Fixkosten von 710 Euro. Das sind dann meine Autoversicherung, Miete und die sonstigen üblichen monatlichen Fixkosten. 

Bist du damit zufrieden?
Nee, tatsächlich nicht. Für den Job, den ich mache, ist das sehr wenig und in meiner Branche ist das auch ein unterdurchschnittliches Gehalt. Ich hatte das Gespräch über mein Gehalt schon öfters in die Richtung gelenkt, aber das ist als Frau mit Ende zwanzig in einem sehr konservativen Umfeld eher schwierig. Da wird eigentlich schon damit gerechnet, dass ich in den nächsten Jahren in Mutterschutz gehe und es wird auch häufiger thematisiert. 

Ich weiß, dass mein Gehalt für meinen Job zu wenig ist. Wir dürfen aber im Unternehmen nicht über unser Gehalt reden. Man kann sich Gehälter wünschen und kriegt dann einen Brief nach Hause, in dem steht, ob man das Gehalt bekommen hat. Richtige Gehaltsverhandlungen gibt es nicht und man muss sich immer sehr für ein höheres Gehalt einsetzen. Deshalb bin ich dafür, dass man ganz offen über Gehälter spricht. Ich glaube, dass Themen wie die Gender Pay Gap dadurch ebenfalls verkleinert werden könnten. 

Fühlst du dich trotzdem finanziell sicher oder ist Geld ein Stressfaktor für dich?

Nein, es ist kein Stressfaktor. Um einen besseren Überblick zu haben, habe ich auch die mehreren Konten. Ich finde es einfacher, mir damit das Geld aufzuteilen. Ich habe ein Konto, auf das ich mir monatlich 400 Euro überweise und davon gehe ich essen, kaufe mir Kleidung und wenn am Ende kein Geld mehr da ist, weiß ich, dass ich ein bisschen zu viel ausgegeben habe oder schaue, was brauche ich wirklich. Dadurch habe ich ein hohes Sicherheitsgefühl. 

Vergleichst du deine finanzielle Situation mit der anderer?
Ich rede gerne mit meinen Freundinnen darüber wie viel wir verdienen, einfach weil ich es auch wichtig finde, sich vor Augen zu führen, ob die eigene Vorstellung noch realistisch ist. Aber es geht jetzt nicht in die Richtung, dass ich Neid empfinde, weil jemand schon wieder in den Urlaub gefahren ist. Sondern eher im engeren Bekanntenkreis und ganz offen und auf Faktenbasis. 

Was würdest du an deiner finanziellen Situation ändern, wenn du es könntest?
Ich würde gerne mehr verdienen und würde gerne mehr für die Altersvorsorge machen können. Ich hatte mir selbst eine Grenze gesetzt, was ich gerne ansparen möchte, weil ich es wichtig finde, eine finanzielle Sicherheit zu haben, wenn mal die Waschmaschine kaputt geht oder man einen Autounfall hat. Die Grenze habe ich noch nicht erreicht. Wenn ich die Grenze aber erreicht habe, ist das mein nächstes Ziel. Um meine Rente mache ich mir zwar noch keine akuten Sorgen, aber es ist ein Thema, das immer wieder in meinem Kopf auftaucht, weil man ja nicht mehr damit rechnen kann, im Alter eine Rente gezahlt zu bekommen, von der man leben kann. 

Wie viel willst du mal verdienen?
Ich weiß nicht genau warum, aber 5.000 Euro ist eine Zahl, die mir so in den Kopf kommt. Aber ich wüsste nicht warum genau 5.000 Euro. Es würde mir aber reichen so viel zu haben, dass ich mir das kaufen kann, was ich brauche und für meine Kinder sorgen kann. Aber ich habe in meinem Leben nicht das Ziel, wahnsinnig viel Geld anzuhäufen oder reich zu sein. 

Wie war deine finanzielle Situation in deiner Kindheit? Hattet ihr Geldsorgen? Wusstest du von Geldsorgen als Kind? Oder war Geld bei euch kein Thema?

Geld war nie ein Thema und es gab keine Geldsorgen. Meine Eltern sind nicht wahnsinnig reich, aber ich würde sagen, sie haben mehr Geld als der Durchschnitt. 

Meine Eltern haben immer dafür gesorgt, dass ich alles hatte, was ich brauchte, aber ich sollte immer Geld sparen. Mein Vater kommt aus sehr armen Verhältnissen und ihm war es deswegen immer sehr wichtig, dass ich lerne, mit Geld umzugehen und es nicht verpulver. Beim Studieren wurde ich von meinen Eltern durch einen Betrag in Höhe des aktuellen BAföG-Höchstsatzes unterstützt. Den Rest musste ich mir dann selbst erarbeiten. Sie waren der Meinung, dass man von dem BAföG-Satz gut leben kann und deshalb habe ich den Betrag ausgezahlt bekommen und musste dann mit meinen Ausgaben jonglieren.

Hast du dir mal ein Statussymbol gekauft?

Ja, bestimmt. Also ich habe ein iPhone und AirPods. In der Jugend auf jeden Fall. Da wollte man immer die Marken tragen, die angesagt waren, und da war ja fast jeder Kauf ein Statussymbol. Sobald ein neuer Rucksack modern war, wollte man ja unbedingt so einen haben. 

Wie wohl fühlst du dich über (dein Geld) zu sprechen?
Ich finde es ok und relativ normal. Ich weiß, dass ich in manchen Situationen privilegiert wirke und habe Angst, jemandem auf die Füße zu treten und vor der Reaktion anderer Leute. Eine große Sorge ist auch, unsensibel zu wirken, weil man nicht immer die Geschichten der Leute kennt und man sie damit vielleicht auch vor den Kopf stoßen kann. 

Ich fände es aber gut, wenn es etablierter wäre, offen über Geld zu sprechen und glaube, dass Bildung und Aufklärung dazu beitragen, dass viele Menschen später nicht arm sind. Ich kenne mich mit manchen Sachen auch nicht aus. Gerade von Sparplänen habe ich nicht so viel Ahnung. Das bedeutet entweder, ich kenne jemanden, der mich dazu berät, oder muss auf meinen Bankberater vertrauen. Aber egal wie ich es mache, ich gebe meine finanzielle Zukunft in die Hand von Fremden. Ich würde gerne vom Learning anderer profitieren und mich freuen, wenn damit auch die Ungleichbehandlung abnehmen würde.

Jacob Maibaum

Jacob ist 22 Jahre alt und gelernter Fotograf.
Krasse Bilder, lustige Memes und nice Artikelideen: dafür ist Jacob bei Canapé verantwortlich.
Er bringt einen gewissen Royal Flair in unsere Redaktion, denn er ist über 12 Ecken mit der Queen verwandt.