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Stopp den Bullshit – Wenn der Kampf um queere Rechte ins Gefängnis führt

Bildquelle: Pexels

#FreeMargot war letztes Jahr im August ein weit verbreiteter Hashtag in den sozialen Medien. Die besagte Margot wurde kurz darauf auch befreit, aber von einem wirklichen Freiheitsgefühl kann trotzdem nicht die Rede sein. Nicht, wenn queere Rechte und queeres Leben in Polen tagtäglich bedroht werden.

2019 gründete sich das anarchoqueere Kollektiv „Stop Bzdurom“ (übersetzt „Stopp den Bullshit”), um für queere Rechte in Polen einzustehen. Margot, eine nicht-binäre Person, und deren Freundin Łania waren zwei der Gründungsmitglieder und tragenden Personen der Bewegung. Der Name entstand in Anlehnung an die Kampagne „Stop Pedofilii“, die Homosexualität mit Pädophilie gleichsetzt und Aufklärungsunterricht verbieten will und stattdessen falsche Informationen verbreitet. Ihre Mission war also ganz einfach: den Bullshit stoppen, den diese und andere Kampagnen in Polen verbreiten. Auf ihrer Webseite (https://stopbzdurom.pl/stop-pedofilii/) beispielsweise, hat das Kollektiv zehn der häufigsten Sätze/Falschaussagen gesammelt und Antworten bereitgestellt. Auch im Wahlkampf 2020 war die Gruppe präsent, nachdem der Präsident Andrzej Duda behauptet hatte, LGBTQ+ seien keine Menschen, sondern eine Ideologie.

Aber auch auf den Straßen setzten sich die Aktivist*innen ein. In vielen Städten schickte die „Fundacja Pro“, eine Organisation, die sich gegen Abtreibungen einsetzt und auch die Kampagne „Stop Pedofilii“ ins Leben rief, Transporter durch die Straßen. Diese Transporter waren mit Plakaten und Bannern behängt, die Homosexualität mit Pädophilie gleichsetzten und andere ähnliche Aussagen beinhalteten, und so homophobe und diskriminierende Inhalte verbreiteten. Stop Bzdurom machte sich diese Transporter zum Ziel und wollte diese Sprüche unkenntlich machen. Bei einem Zwischenfall am 27. Juni in Warschau soll Margot den Fahrer des Wagens attackiert haben und wurde daraufhin am 14. Juli in derer Wohnung von Zivilpolizisten verhaftet. Margot hatte weder die Möglichkeit, jemanden zu kontaktieren, um von der Verhaftung zu erzählen, noch war es erlaubt, sich die Schuhe anzuziehen, bevor sie das Haus verließen. Am folgenden Tag wurde die zweimonatige Haft fallengelassen und Margot kam wieder frei.

Zwei Wochen später hängten Stop Bzdurom und weitere Kollektive in einer nächtlichen Aktion Regenbogenfahnen über Statuen in Warschau. Das löste eine große Empörung aus, am meisten Aufsehen erregte aber die Fahne über der Jesusstatue vor der Heilig-Kreuz-Basilika, da dies die religiösen Gefühle verletze (was laut Artikel 196 im polnischen Strafgesetzbuch eine Straftat darstellt, die mit Gefängnis bestraft werden kann). Am 7. August wurde Margot erneut festgenommen, dieses Mal sollten wirklich 2 Monate Haft anstehen. Die Festnahme führte zu Protesten mit 48 weiteren Festnahmen und dem erwähnten Hashtag #FreeMargot. Die Festnahmen lösten auch international Kritik aus, da die Polizei mit unverhältnismäßig harter Gewalt gegen die Protestierenden vorging. In zahlreichen Ländern wurde demonstriert, um Solidarität mit den Aktivist*innen auszudrücken, und bei der Demo in Warschau kamen dabei mehrere tausend Menschen zusammen. Ende August wurde Margot endlich wieder freigelassen.

Diesen Juni wurde bekannt, dass Łania und Margot nun mehrere Jahre Gefängnis drohen wegen ihrer Aktionen im Rahmen von Stop Bzdurom. Erst vergangenen Monat verkündeten die beiden, dass Stop Bzdurom sich nun auflösen würde. Sie sagten, sie bereuen, wie sehr sie zu öffentlichen Personen geworden seien, und dass dies ihrer Sache im Kampf gegen Homo- und Transphobie im Weg stehe. Auch die öffentlichen Aktionen hätten nicht immer viel gebracht, und das Thema von queeren Rechten nur kurz in die Medien gebracht. Alle Spenden, die das Kollektiv noch hat, haben sie an andere aktivistische Gruppen und Initiativen verteilt. 

Stop Bzdurom, die bekannteste und kontroverseste polnische Gruppe von Aktivist*innen, hat sich also aufgelöst. Und jetzt? Der Kampf um Gleichberechtigung ist vielleicht präsenter geworden in den letzten zwei Jahren, die Politik hat sich allerdings wenig geändert. Noch immer gibt es rund 80 „LGBT-ideologiefreie Zonen” in Polen, die International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association stuft Polen sogar als das EU-Land mit der schlimmsten Lage der queeren Community ein. Auf der anderen Seite versammelten sich diesen Sommer Tausende Menschen zum Pride March in Warschau, und auch viele andere Städte veranstalteten welche. Gerade unter jungen Leuten wächst das Verständnis für Vielfalt und Gleichberechtigung, aber auch die Wut über ungerechte und menschenfeindliche Behandlung. Der Kampf um queere Rechte ist noch lange nicht vorbei, in den nächsten Jahren ist vieles möglich.