Was macht eigentlich…?

Gerhard Schröders turbulenter Ruhestand und Christian Wulffs Reise von ganz Oben nach ganz Unten

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Habt ihr euch auch schon mal gefragt, wo die S-Bahnen hin fahren, auf denen „Betriebsfahrt“ steht? Oder wie E-Scooter immer wieder aufgeladen am Straßenrand stehen? Wer ein Faible für solche Fragen hat, hat sich bestimmt auch schon mal gewundert, was zur Hölle eigentlich mit all den Politiker:innen passiert, die entweder von Skandalen aus dem Amt getrieben oder aufgrund wenig überzeugender Arbeit irgendwann abgewählt oder -gesägt wurden und dann mehr oder weniger in Vergessenheit geraten sind.


Gerhard Schröder, SPD, Bundeskanzler a.D.

Gerhard Schröder zum Beispiel. Was macht der eigentlich? Muss ich mir Sorgen um ihn machen?

Nun, ernsthafte Sorgen zumindest um die wirtschaftliche Situation ehemaliger Spitzenpolitiker:innen muss man sich in der Regel wohl nicht machen. Es ist kein besonders gut gehütetes Geheimnis, dass diese allzu häufig von ihren Vernetzungen Gebrauch machen, die sie sich in ihrer aktiven Zeit in der Politik aufgebaut haben. Nach dem (häufig unsäglichen) Ende ihrer Zeit im Großhirn der Demokratie erlangen viele von ihnen mindestens mittelgut bezahlte Stellen in der Privatwirtschaft oder diversen Stiftungen. Ein Umstand, der nicht nur für Begeisterung unter den ehemaligen Arbeitgeber:innen der politischen Spitzenkräfte a.D. sorgt. Dennoch, so ganz genau wissen, was diese Menschen jetzt so machen, tun die meisten von uns nicht. Vielen ist es auch einfach egal. Deswegen war auch die Reaktion innerhalb unserer Redaktion, als diese Frage das erste Mal aufkam, ein kollektives Schulterzucken. Das konnten wir so nicht stehen lassen und haben es uns deswegen zur Aufgabe gemacht herauszufinden, was nur mit den politischen Held:innen der jüngeren Vergangenheit geschehen sein mag und wo man anrufen müsste, wenn man Gerhard Schröder bei einem kühlen Bierchen etwas zu den Hartz-Reformen fragen wollen würde.

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Gerhard Schröder war ein Politiker, wie es sie heute selten gibt. Eine überaus ruppige Art, gepaart mit einer rauen Stimme prägten sein Auftreten. Kraft dessen vollbrachte er seinerzeit das schier unmögliche, den ewigen Kanzler Helmut Kohl im Amt abzulösen. Außerdem ist er laut Wikipedia der einzige deutsche Politiker, dem es gelang, fünf Wahlen in Folge auf Bundes- oder Landesebene als Spitzenkandidat zu gewinnen. Darüber hinaus bekannt ist der Altkanzler für zahlreiche prägende politische Entscheidungen, wie die Hartz-Reformen oder das Eintreten in den Afghanistan-Krieg. Gerhard Schröder war von 1990 bis 1998 Ministerpräsident im schönen Niedersachsen und von 1998 bis 2004 Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, bis er 2005 das Amt an Angela Merkel von der CDU abgeben musste. Seine aktive Zeit als Politiker war geprägt von einer in seiner eigenen Partei nicht unumstrittenen Auslegung von sozialer Politik, sowie einem auffällig kollegialen Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem von europäischer Seite damals noch deutlich mehr Offenheit und weniger Drohgebärden entgegengebracht wurden. 

Seine Partei, die SPD, verschliss seit dem Ende seiner Amtszeit drei Kanzlerkandidaten (ausschließlich Männer) und sage und schreibe sechs unterschiedliche Parteivorsitzende, kommissarische Vorsitzende und Doppelbesetzungen (Franz Müntefering war seit 2004 gleich zweimal an der Spitze der Partei) herausgerechnet. 

Schröder selbst wurde recht bald nach Ende seines Mandats als Bundeskanzler Aufsichtsratsvorsitzender bei der NordStream 2 AG, die zu 51% dem russischen Gaskonzern Gazprom gehört. Dort vertritt er bis heute die Interessen der Aktionär:innen im Konzern. Vorwürfe, sein Engagement für russisches Erdgas und deren Aktionär:innen habe während seiner Zeit in politischer Verantwortung einen Interessenkonflikt konstituiert, weiß er aus seiner neuen Position heraus wahlweise mit ausweichenden Antworten oder mit Unterlassungsklagen von sich zu weisen. Seit September 2017 hält Schröder darüber hinaus auch noch den Aufsichtsratsvorsitz beim russischen Gaskonzern Rosneft inne, dessen Anteile mehrheitlich dem russischen Staat gehören. Privat geht es beim Altkanzler nicht minder turbulent zu: mit Kim Seo-Yong ist er seit 2018 mit seiner nunmehr fünften Ehefrau verheiratet. Dieses Glück sei ihm natürlich von Herzen gegönnt, wäre da nicht die 22.000€ starke Schmerzensgeldzahlung, die er dieses Jahr an den koreanischen Ex-Mann seiner nun-Ehefrau zahlen musste, nachdem diesem zugesichert wurde, Kim Seo-Yong und Gerhard Schröder würden ihr Verhältnis beenden. Auch abseits des weltpolitischen Rampenlichts geht es bei Schröder also hoch her. Einen besinnlichen Ruhestand kann man das wohl nicht nennen. 

Was bleibt ist der nicht zu vermeidende Eindruck, Menschen wie Schröder würden ihre politische Macht im Nachhinein gebrauchen, um sich selbst im politischen Ruhestand zu bereichern. Doch wer weiß, vielleicht trügt der Eindruck auch, und was ihn treibt ist lediglich die Begeisterung für russisches Erdgas. Die Wahrheit kennt wohl nur er selbst.


Christian Wulff, CDU, Bundespräsident a.D.

Der Mann mit der großartigen dreifach-Alliteration im Namen war von 2003 bis 2010 Nachfolger Gerhard Schröders als Ministerpräsident von Niedersachsen. Von 2010 bis 2012 folgte er auf Horst Köhler als amtierender Bundespräsident und war als solcher, zugegebenermaßen, in weiten Teilen der Gesellschaft nicht unbeliebt. Jedenfalls solange bis ihn Ende 2011 die sogenannte „Wulff-Affäre“ heimsuchte, die den politischen Untergang des jungen Bundespräsidenten besiegeln sollte. Dabei ging es, kurz zusammengefasst, zunächst um eine angeblich unzutreffende Antwort auf eine Anfrage im niedersächsischen Landtag bezüglich eines Kredites, den Wulff als Privatperson während seiner Zeit als Ministerpräsident aufgenommen haben soll. Darauf folgte der Vorwurf, Wulff wolle die Berichterstattung über diese sogenannte „Kreditaffäre“ beeinflussen, was nur noch von einer Anschuldigung, er hätte sich eine Urlaubsreise nach Sylt vom Filmproduzenten David Groenewold bezahlen lassen und damit der Vorteilsnahme schuldig gemacht, übertroffen wurde. Unter der Last dieser Vielzahl an Anschuldigungen und nachdem die Staatsanwaltschaft Hannover Anfang 2012 die Aufhebung seiner Immunität als Bundespräsident beantragte, trat er im Februar 2012 schließlich zurück. Schluss, Aus, Applaus, nach Haus. Die rechtliche Aufarbeitung dieser „Wulff-Affäre“, also des Konglomerats an bösen Geschichten aus seiner Zeit als Ministerpräsident, dauerte noch Jahre an, bis er 2014 schließlich gerichtlich freigesprochen wurde. 

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Seit dem Ende seiner Amtszeit als Bundespräsident engagiert sich Wulff für eine Vielzahl gemeinnütziger Organisationen, darunter die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, der deutsche Ableger der Welthungerhilfe, sowie die niedersächsischen Tafeln. Geld verdiente er nach seinem Rücktritt in erster Linie mit dem Verkauf seines Buches Ganz Oben Ganz Unten, und nahm als Bundespräsident a.D. an einigen internationalen Zeremonien teil. Dabei unterstrich er erneut seine 2010 noch beinahe revolutionäre Haltung, der Islam wäre eine friedliche Religion, die genauso wie das Juden- und Christentum zu Deutschland gehört (eine Aussage, für die er seinerzeit einiges an Kritik einheimste). Deutlich machte er diese Haltung besonders gerne mit seiner Präsenz auf internationalen Empfangen in muslimisch geprägten Ländern (zu mitunter fragwürdigen Anlässen), wie der Beisetzung des hardcore-theokratischen Saudischen Königs Abdullah im Jahr 2015. Ob es sich wirklich empfiehlt, sein Interesse an einer friedlichen und respektvollen Koexistenz verschiedener Religionen dadurch zu betonen, Personen mit derartigen Geisteshaltungen zu zelebrieren, sei mal dahingestellt, sein soziales Engagement in allen Ehren.

Wulff ist jedenfalls noch da, auch wenn er medial seit seinem erzwungenen Rückzug kaum noch präsent ist. Somit wurde der ehemals wichtigste Mann Deutschlands seiner Macht entledigt, indem die Medien vorschnell und an Stelle der Justiz sein Urteil fällten. Ein tragisches Schicksal, von dem sich Wulff nun in Präsidentenpension erholen kann.

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