„Jeder neue Pulli war damals der Versuch eines Statussymbols.“

Zahltag: Über Geld spricht man (nicht)

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Fragt man seine Mitmenschen nach ihrem aktuellen Kontostand? Reflexhaft würde vermutlich jeder von uns sofort darauf mit „Nein“ antworten. Schließlich hört bei Geld die Freundschaft auf, so sagt man. Dabei ist Geld in unserem Alltag omnipräsent und kann auch in sozialen Beziehungen eine Rolle spielen. Vincent Rastfeld fragt deshalb genau nach. Bei Studierenden und Menschen im Arbeitsleben. Bei Menschen mit oder ohne Geldproblemen. Alle Interviewpartner:innen haben sich dabei selbst ein Alias ausgedacht. Anonym und doch so persönlich. Der Zahltag, beim Canapé-Magazine. 

In der ersten Ausgabe: Josef, ein Student in einer Phase, die vielen bekannt vorkommen dürfte. Zwischen unbezahlten Praktika und Studium hat er sich die Zeit genommen, um mit uns über seine derzeitige Situation und seine Vorstellungen für die Zukunft zu sprechen.


Josef, wie ist dein aktueller Beschäftigungsstand?

Ich mache ein unbezahltes Praktikum mit 35 Stunden/Woche.

Und was ist deine Geldquelle?

Eigentlich arbeite ich seit ich vierzehn bin, selbst für mein Geld. Dazu kommen noch ca. 50€ Taschengeld im Monat und ab und zu Geldgeschenke von der Familie. Derzeit lebe ich aber ausschließlich vom Geld meiner Eltern, da ich keine Zeit fürs Arbeiten habe.

Wie viel Geld ist aktuell eigentlich auf deinem Konto?

Ungefähr 1100€, aber nur, weil meine Mama mir zum Abi 1000€ geschenkt hat, die ich noch für einen neuen Laptop aufspare (lacht). Sonst waren es immer am Anfang des Monats 120 Euro, wovon am Ende des Monats nichts mehr übrig war.

Was ist dein monatliches Netto-Einkommen?

Derzeit arbeite ich ja leider nicht bezahlt. Als ich noch selber Geld mit klassischen Schülerjobs verdient habe waren es immer ungefähr 120€ im Monat. Nach dem Abi habe ich etwas mehr gearbeitet, da waren es durchschnittlich circa 400€ im Monat. Das ist aber alles für den Sommerurlaub draufgegangen.

Wie viel steht dir nach den Fix-Kosten zur Verfügung?

Zurzeit ist das schwer zu sagen, wahrscheinlich um die hundert Euro im Monat, eher etwas weniger. Dabei habe ich aber eigentlich fast keine Fixkosten, außer Essen vielleicht.

Bist du damit zufrieden? Und falls nicht, wie viel hättest du gerne?

Mir reicht das Geld für das, was ich tun möchte. Außer für Zugfahrten gebe ich eigentlich nicht viel für Freizeitaktivitäten aus. Also in Summe ist es nicht viel, ich brauche aber auch nicht mehr.

Fühlst du dich finanziell sicher oder ist Geld ein Stressfaktor für dich?

Eigentlich ist Geld kein großer Stressfaktor. Es reicht für das, was ich mir monatlich leisten möchte. Dadurch, dass ich während des Praktikums leider so sehr von meinen Eltern zehre und kein eigenes Geld verdiene, fühle ich mich schon etwas unwohl und unselbstständig. Aber nicht, weil das Geld zu wenig ist.

Vergleichst du deine finanzielle Situation mit der anderer?

Im Moment nicht, weil ich ja alles habe, was ich brauche. Wenn es aber um die Zukunft und vor allem den Einstieg ins richtige Arbeitsleben nach dem Studium geht, ist mir ehrlich gesagt schon wichtig, dass da die ein oder andere Münze bei rumkommt. Also mehr als der Durchschnittslohn sollte es schon sein (lacht).

Würdest du an deiner finanziellen Situation etwas ändern, wenn du könntest?

Eigentlich fehlt es mir selbst an nichts, also nein, nicht wirklich.

Sorgst du eigentlich schon vor für die Zukunft? Und falls ja, wie?

Meine Familie hat bei meiner Geburt eine fünfstellige Summe in Aktien angelegt, auf die ich im Notfall zugreifen könnte. Von meinem eigenen Geld spare ich aber nicht wirklich etwas auf, dafür reicht es einfach nicht. Ich lebe dafür auch noch zu sehr im Moment. Vielleicht ist das aber doch eine Sache, die ich ändern wollen würde: Zum Beispiel 50€ im Monat zur Seite legen können.

Wie viel willst du mal verdienen?

Wie gesagt, mehr als der Durchschnittslohn wäre schon cool, irgendwas in die Richtung 50.000 Euro jährlich Brutto. Aber im Endeffekt reicht es ja, wenn ich mir das leisten kann, was ich mir leisten möchte, und da habe ich im Moment noch nicht die größten Ansprüche. Vielleicht ändert sich das aber auch noch.

Und was ist deine Gehalts-Schmerzgrenze? Also was ist so das mindeste, was du verdienen möchtest?

4.000 Euro/Mtl. Brutto sind der Durchschnittslohn für Vollzeitbeschäftigte in Deutschland, habe ich gerade nachgeschaut. Mir ist natürlich bewusst, dass Einstiegsgehälter immer deutlich niedriger sind, deswegen erwarte ich kurzfristig noch nicht so viel. Auf lange Sicht allerdings wären so 3.000 Euro Brutto schon das mindeste, ich will ja auch nicht umsonst studieren. Wobei ich mir auch gut vorstellen könnte, Teilzeit zu arbeiten und mir mal mit meiner zukünftigen Partnerin das Einkommen zu teilen. Da könnte es dann natürlich von mir aus auch weniger sein. Vielleicht ist mir das Gehalt bis dahin aber auch grundsätzlich weniger wichtig, und Fragen wie flexible Zeiteinteilung und eine gute Arbeitsatmosphäre werden dafür entscheidender. Das kann ich mir auch gut vorstellen.

Wie war deine finanzielle Situation in deiner Kindheit? Hattet ihr Geldsorgen? Wusstest du von den Geldsorgen als Kind? Oder war Geld bei euch kein Thema?

Bei uns war Geld immer ein verdammt schwieriges Thema, ich wusste auch schon recht früh, dass wir uns nicht alles leisten können. Mittlerweile habe ich aber den Eindruck, dass das etwas leichter geworden ist. Vielleicht, weil ich auch so bald angefangen habe, selbst ein bisschen was zu verdienen und meinen Eltern nicht mehr so sehr wie früher auf der Tasche liege.

Hast du dir mal ein Statussymbol gekauft?

Ja, in der Pubertät andauernd. Jeder neue Pulli war damals der Versuch eines Statussymbols. Das war mit meinen damaligen finanziellen Mitteln aber ein echt verzweifelter Versuch. Schon krass, wie wichtig es damals war, nach außen zu beweisen, dass man nicht „arm“ ist.

Wie wohl fühlst du dich mit anderen über (dein) Geld zu sprechen?

Eigentlich finde ich, dass Geld und finanzielle Situation total bestimmend für das Leben sind und Menschen immer total davon geprägt sind, mit wie viel Geld sie monatlich auskommen müssen. Also ist Geld, finde ich, brutal wichtig, wenn man Menschen verstehen will. Andererseits ist es auch ein super intimes und behaftetes Thema, bei dem man echt aufpassen muss, niemanden zu verurteilen. Deswegen rede ich eigentlich nur mit Leuten darüber, denen ich auch echt vertraue.


In unserer Reihe „Zahltag – über Geld spricht man (nicht)“ packen unsere Interviewgäst:innen jeden Monat intime Details aus ihrem Portemonnaie aus. Ihr wollt auch mal anonym über Geld sprechen? Dann schreibt uns eine Mail an redaktion@canapemagazine.com oder slidet in unsere DMs auf Instagram unter @canapemagazine!

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