„Eine freie Mitarbeit wäre mir zu unsicher, ich will später was Sicheres haben.“

Zahltag - Über Geld spricht man (nicht)

In unserer Reihe „Zahltag – über Geld spricht man (nicht)“ packen unsere Interviewgäst:innen jeden Monat intime Details aus ihrem Portemonnaie aus und lassen tief ins Konto blicken. In dieser Ausgabe gibt uns die Studentin Jana einen Einblick in ihren Alltag als freie Mitarbeiterin einer regionalen Tageszeitung und verrät uns, ob sie diesen Job auch in Zukunft machen möchte.


Fantasiename: Jana

Alter: 21 Jahre

Geschlecht: weiblich

Tätigkeit: Freie Mitarbeiterin als Redakteurin einer regionalen Tageszeitung


Was ist deine Geldquelle?

Meine freie Mitarbeit als Redakteurin einer regionalen Tageszeitung und die finanzielle Unterstützung meiner Eltern.

Wie ist dein aktueller Beschäftigungsstand? Also wie viele Stunden arbeitest du in der Woche?

Also jetzt gerade arbeite ich gar nicht, weil ich nur in der vorlesungsfreien Zeit arbeite, wenn ich zu Hause vor Ort bin und zu Veranstaltungen oder so hingehen kann, um Berichte zu schreiben. Es ist also eine sehr sporadische Mitarbeit (lacht). Wenn dann Semesterferien sind, hängt die Stundenzahl natürlich von meiner Auftragslage ab, also wie viele Aufträge ich dann habe. Ich bekomme meistens nicht so viele – also maximal 15 Stunden pro Woche. Vor allem wenn es dann große Beiträge sind. Interviews dauern maximal zwei Stunden, Gerichtstermine vier Stunden und dann beispielsweise noch ein Porträt, das dauert dann nochmal länger. Da kommt man dann auf 10-15 Stunden pro Woche, aber es variiert wie gesagt jede Woche ein bisschen.

Machst du unbezahlte Arbeit? (Praktika, Ehrenamt, Studium, Care-Arbeit etc.)

Nein, aktuell nicht. Ich plane jetzt demnächst hier in der Fachschaft meines Studiengangs anzufangen, das ist dann mein Ehrenamt, aber das beginnt erst demnächst. Daher mache ich im Moment noch nichts. 

Wie viel Geld ist jetzt auf deinem Konto?

Ungefähr 5.700 €. Also über Jahre hinweg wurden von meinen Großeltern und Eltern Sparverträge geführt, daher ist das meiste Geld. Bis ich 18 Jahre alt war, haben die ein Sparbuch angelegt und dadurch habe ich ordentlich Geld bekommen, das logischerweise immer noch nicht aufgebraucht ist.

Was ist dein monatliches Netto-Einkommen, wenn du das zusammen rechnest?

Also wenn wir jetzt mal von einem Monat ausgehen, in dem ich als freie Mitarbeiterin arbeite und wir von relativ guten Aufträgen ausgehen, sind es ca. 450 € im Monat. Und meine Eltern zahlen mir ja pro Monat auch nochmal Geld. Zum einen die Miete, das sind schonmal 350 € und dann für die Lebenshaltungskosten geben sie mir auch nochmal 250 €. Also insgesamt sind das 600 € von meinen Eltern.

Wie viel steht dir nach den Fix-Kosten im Monat zur Verfügung?

Also wenn man die Miete mit 350 € und die Nebenkosten, wenn ich sparsam bin, mit 250 € abzieht, habe ich das Geld meiner Eltern komplett ausgegeben. In einem Monat, in dem ich arbeite, bleibt mir dann also der jeweilige Lohn übrig. In einem guten Monat wie gesagt ca. 450 €.

Bist du damit zufrieden, was pro Monat übrig bleibt? (Wenn nicht, wie viel hättest du gern?)

Ja, würde ich schon sagen. Also ich weiß schon, dass ich in einer sehr privilegierten Position bin mit der großen Unterstützung meiner Eltern, deswegen bin ich da durchaus zufrieden mit. Also selbst wenn ich mal über die 250 € ausgebe, ist es ja für mich mit dem Puffer kein Problem. Ich gebe mir trotzdem Mühe, diese 250 € nicht immer so krass auszureizen und damit zu leben, damit ich dann nicht irgendwann ein Minus habe.

Inwieweit fühlst du dich finanziell sicher? Ist Geld ein Stressfaktor für dich?

Wenn ich jetzt ständig irgendwelche riesigen Ausgaben hätte und merke, “Oh shit, nach einem Monat hab ich jetzt plötzlich nur noch 2.000 € auf dem Konto”, da hätte ich glaube ich schon ordentlich Stress. Vor allem wenn ich mir so überlege, dass die letzten fünf Jahre diese Summe auf meinem Konto gleich geblieben ist, weil ich ja auch keine riesige Ausgaben hatte. Also vor großem Geldverlust habe ich schon Angst, aber da geh ich jetzt mal nicht von aus. Aktuell fühl ich mich schon sicher. Auch weil ich weiß, dass meine Eltern nicht plötzlich bankrott gehen werden und unser Verhältnis ist gut genug, um zu wissen, dass sie mich nicht auf der Straße sitzen lassen würden (lacht).

Inwieweit vergleichst du deine finanzielle Situation mit der anderer?

Das mach ich tatsächlich etwas öfter. Ich habe zwei sehr gute Freunde aus dem Studium und von denen höre ich immer, dass sie ständig am Arbeiten sind und wesentlich mehr dahinter sind, dass sie ihre monatliche Abrechnung machen. Da denk ich mir dann immer so, “Oh Gott, was hab ich für ein Glück.” Also in diesem Sinne vergleiche ich mich dann oft, dass ich halt so dankbar bin, dafür, dass ich mir nicht diese Sorgen machen muss. Ich versuche das echt wertzuschätzen und auch auf gar keinen Fall anzugeben und zu sagen, ”Ja, also ich habe keine Probleme, Leute.” Also ich glaube, diese Wertschätzung ist in den letzten Jahren noch mehr gestiegen, für die Situation, die ich habe. 

Würdest du an deiner finanziellen Situation etwas ändern wollen , wenn du könntest? Was wäre es?

Also an sich würde ich sie wenn überhaupt verbessern wollen, dass ich doch noch nebenher einen Minijob suche, aber das muss ich halt gucken. Ich fange ja auch gerade erst mit dem Studium an und muss schauen, wie stressig das noch wird. Und wenn ich wirklich mit dem Fachschaftsrat anfange, dann hab ich nebenher wahrscheinlich keine Zeit mehr dafür. Also wenn sich mal irgendwann ein guter Job anbieten würde, würde ich den machen. Aber ich würde nicht einfach kellnern oder so, wenn ich es nicht brauche.

Kannst du dir vorstellen, dauerhaft als freie Mitarbeiterin zu arbeiten? 

Dauerhafte freie Mitarbeiter werden natürlich auch öfter angefragt oder man hat natürlich auch die Möglichkeit, mit eigenen Themen an die Redaktion ran zu treten und wenn die das nehmen, zahlen die das natürlich auch. Ich glaube, es ist eben so, dass man es als Zeitungsredakteurin schwer hat. Also mit diesen Beträgen, die ich da für meine Berichte kriege, muss ich schon, um mindestens auf 1.000 € zu kommen, pro Tag einen Bericht abliefern. Das ist einfach nicht möglich, wenn deine Kontaktperson nicht immer gleich an dem Tag Zeit hat. Das kommt dann auch noch zusammen. Man muss schon eine sehr gute Auftragslage haben, um als Zeitungsredakteurin durch zu kommen. Oder man muss halt gucken, dass man bei mehreren Medien aktiv ist oder auch noch bei Radio und Fernsehen. Das wurde auch in einem Kurs in der Uni erklärt, dass man mit einer freien Mitarbeit nur durch kommt, wenn man das multimedial macht.

Ich glaube, das wäre mir zu stressig. Wenn ich selbstständig wäre und wüsste, dass ich pro Monat das und das bekomme, weil ich selbstständig ne Firma leite, das kann man dann besser planen. Mit der Zeitungs-Geschichte kann man so schlecht planen, weil diese Auftragslage so unterschiedlich ist. Wenn nochmal Corona ausbricht und es überhaupt keine Aufträge mehr gibt, weil Nichts ist, wie soll ich dann leben? Freie Mitarbeiterin wäre mir zu unsicher. Ich will schon etwas Sicheres haben. Auf jeden Fall soll es in langer Perspektive nicht die freie Mitarbeit sein, in der ich so gar keine Absicherung habe von Seite des Arbeitgebers.

Sorgst du finanziell schon vor für die Zukunft? Wenn ja wie?

Also ich geb mir Mühe, diese Ersparnisse, die ich von meinen Eltern und Großeltern habe, nicht mit 500 Feiern aufzubrauchen, bis mein Studium zu Ende ist. Ich hätte das gerne noch, wenn mein Studium vorbei ist und ich schauen muss, wo ich arbeite und wo ich dann hinziehen muss. Ich achte einfach darauf, dass dieser Puffer vorhanden bleibt, aber ansonsten plane ich nicht so weit voraus. Ich glaube, da machen meine Eltern mehr für meine Zukunftsplanung als ich (lacht).

Wie viel willst du mal verdienen?

Wenn man einen Master hat, will man dann natürlich schon ein gewisses Grundeinkommen bekommen. Es kommt dann halt sehr drauf an, wo ich lande. Ich habe jetzt kein Wunschgehalt-Ziel, glaube ich. Ich glaube, das hängt dann wirklich von der Stelle ab, wo ich lande und wie erfüllt ich dann von dem Job bin. Wenn das so ein Job ist, den ich zwar gerne mache, aber jetzt nicht mein Traumjob, dann hätte ich trotzdem gerne mehr Geld. Wenn es aber so ein Job ist, den ich von Herzen wähle, würde sich das sozusagen ausgleichen und ich wäre auch mit etwas weniger Geld zufrieden – wenn es eben ein super toller Job ist. Aber eine Zahl… Ich habe echt so gar keinen Überblick über Einkommen, merke ich gerade (lacht). 3.000 € ist glaube ich für den Anfang zumindest schon mal eine gute Sache. Und vielleicht irgendwann schon noch mehr. Wahrscheinlich wird es auch nicht ganz so schnell so sein, ich weiß nicht. Keine Ahnung, ob ich dann direkt mit 3.000 € irgendwo landen kann oder nicht, wahrscheinlich nicht. In 20 Jahren vielleicht dann doch ein bisschen mehr, aber irgendwie, dass bis dahin 3.000 € auf jeden Fall mein Ziel sind. Also schon nochmal irgendwann in den Urlaub fahren können, wie ich es jetzt gewohnt bin aus meiner bisherigen Lebenssituation. 

Und was ist so deine Gehalts-Schmerzgrenze? Was ist das mindeste, was du verdienen willst?

Was verdient denn so ein Müllarbeiter? (lacht) Mit was kommt man denn noch gut hin? Ich weiß nicht, vielleicht so die Hälfte von den 3.000 €, so 1.500 €? Ja, glaube ich schon. Meine aktuelle Miete ist ja z.B. durch vier geteilt, weil wir eine WG sind. Wenn ich mir jetzt so überlege, wenn ich einen vollen Mietbetrag von, sagen wir mal, im schlimmsten Fall 1.000 € oder so zahlen muss, hätte ich schon noch gerne das Doppelte von meinen 250 € übrig.

Wie war deine finanzielle Situation in deiner Kindheit? Hattet ihr Geldsorgen? Wusstest du von den Geldsorgen als Kind? Oder war Geld bei euch kein Thema?

Ich würde sagen, es war kein Thema. Mein Vater hat einen sehr gut bezahlten Job, Doktortitel halt. Ich habe schon immer gemerkt, dass wir eine gute Situation hatten und deswegen habe ich da nie was von Problemen mitbekommen. Also keine Ahnung, vielleicht als das Auto mal gewechselt wurde, weiß ich nicht, wie meine Eltern da in der Kreide waren in dem Moment. Aber an sich ist da, glaube ich, durchaus alles gut. Sonst würden sie mir ja auch nicht so viel Geld monatlich geben können.

Ich weiß, dass mein Vater gut verdient, ich weiß aber tatsächlich nicht, was er verdient. Das haben sie mir bisher nicht erzählt. Ich weiß nur, dass es reicht. Ich weiß von meiner Mutter, dass sie in Teilzeit 450 € kriegt, weil sie da irgendwie nicht drüber darf, weil dann wieder Steuerklasse-Chaos entstehen würde. Das weiß ich. Nur über meinen Vater weiß ich nichts. 

Vielleicht ist das aber auch so ein Eltern-Ding. Man zieht seine Kinder groß und die sollen sich keine Sorgen um Geld machen. Und du willst dem Kind ja auch nicht, wenn du zu wenig verdienen würdest, Geldsorgen aufhalsen wollen. Ich weiß nicht, ob sie es mir irgendwann, wenn ich erwachsen bin, sagen werden.

Hast du dir mal ein Statussymbol gekauft? Wenn Ja/Nein warum?

Ein Statussymbol… Mein Fernseher (lacht). Weil ich gerne Fernsehen schaue. Ich bin auch niemand, der sich jährlich ein neues Handy holt, mein aktuelles habe ich schon so drei Jahre. Also ich benutze meine Sachen alle schon sehr sehr lang, auch wenn ich mir neue kaufen könnte. Aber so lang sie funktionieren… Aber Statussymbol… Ich habs mir nicht gekauft, aber ich habe halt ein Auto, aber das ist halt auch so ein kleiner Toyota, der schon über 12 Jahre alt ist. Also das ist jetzt auch nicht DAS Statussymbol, es ist halt EIN Auto. Ich glaube ich bin da auch nie so der Mensch gewesen, der da bei Markensachen so groß hinterher war, was Kleidung oder ähnliches angeht. Bei mir waren es halt Sachen, die ich wirklich haben wollte. Also der Fernseher ist das teuerste. Oder ein zweiter Computer-Bildschirm, damit ich zwei zum Arbeiten habe. Aber ich habe mir nichts extra gekauft, womit ich angeben wollte. Da hatte ich irgendwie nie das Gefühl, dass ich das brauche.

Wie wohl fühlst du dich über Geld zu sprechen?

Es geht. Also es kommt auf die Person an, mit der ich darüber rede. Aber an sich, denke ich, wenn sich diese Person konkret interessiert, dann macht es mir nichts aus. Solange ich weiß, dass diese Person es nicht in die Welt hinausposaunt. Nach dem Motto: “Hey, die hat viel zu viel Geld und ist total hochnäsig.” Aber davon gehe ich mal nicht aus. Also ich finds schon ok, mir macht´s nicht wirklich was aus.

Redest du denn mit deinen Freunden konkret über Geld? 

Ich glaube, meine Freunde wissen schon alle, dass ich in einer privilegierten Position bin. Ich sage zwar nicht konkret: “Hey, ich kriege 250 € plus meine Miete von meinen Eltern pro Monat”, weil mich das nie jemand konkret gefragt hat. Aber wenn ich das gefragt werden würde, würde ich das schon sagen.

Findest du, dass man offener über Geld reden sollte? Vielleicht auch im Beruf z.B. die Kollegen fragen, wie viel sie verdienen?

Also ich finde, dass es nicht so nötig ist, dass man da so ein Geheimnis draus macht. Außer bei den Leuten, die wirklich zu viel dafür bekommen, was sie machen, die können da ruhig offener darüber sprechen, weil alle ja wissen, dass sie viel zu viel Geld verdienen. Ich würde es aber verstehen bei Leuten, die zu wenig verdienen und sich damit unwohl fühlen, dass sie sich dann minderwertig gegenüber anderen fühlen. Dann kann ich es verstehen, dass sie da nicht so gerne drüber reden. Aber wenn bei den Menschen bewusster werden würde, dass man sich nicht über das Gehalt des jeweils anderen lustig macht, weil sowieso jeder in der Bevölkerung weiß, dass Geld ein schwieriges Thema ist, dann müsste es auch eigentlich ein gechillteres Thema sein. Es wäre schon gut, wenn man da besser drüber reden könnte.

Anna Ross und Lina

Lina ist 24 Jahre alt und studiert an der Universität Bonn. Wenn sie bei Canapé nicht gerade Gastbeiträge schreibt oder Interviews für die Reihe Zahltag transkribiert, lektoriert sie Texte unserer Autor:innen. Findet ihr also Rechtschreibfehler in einem unserer Texte - probably Lina's fault. Denn sind wir ehrlich: Lina kocht deutlich besser, als dass sie Kommas setzt.

Anna ist auf der Zielgeraden ihres Journalismus-Studiums und arbeitet nebenher für die dpa. Bei Canapé gehört sie zur "Zahltag"-Front und sorgt somit dafür, dass Geld allmählich von der Tabuthemen-Liste verschwindet. Denn über Geld spricht man, nicht?

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