Geimpft sein ist das neue sexy – das kommt einem zumindest so vor, wenn man auf diversen Dating Plattformen unterwegs ist. Auf Tinder in den USA und auch in Österreich gibt es sogar einen „Geimpft-Sticker“, so dass der Impfstatus direkt offen gelegt werden kann. Aber auch hier in Deutschland hat man nicht selten Sätze wie „Wenn du ungeimpft bist, swipe mich bitte weg“ oder schlicht „Ich bin geimpft“ in den Tinder Bios gelesen.
Jetzt wo das Leben draußen wieder stattfindet, scheint dieses Kriterium langsam wieder irrelevanter zu werden und auch auf Tinder liest man solche Beschreibungen nicht mehr ganz so häufig. Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass die Corona-Pandemie das Dating Leben junger Menschen stark verändert hat. Nicht nur der Impfstatus gewann an Bedeutung, auch das Onlinedating wurde intensiver genutzt und das klassische Spaziergangsdate wurde immer beliebter. Mittlerweile gibt es diverse Studien und Umfragen, die sich mit der Thematik beschäftigen. So zeigt eine Studie der Hochschule Fresenius in Köln, dass Online-Dating in der Zeit des Lockdowns insgesamt intensiver betrieben wurde und die Pandemie auch die Motive und die Qualität der Kommunikation beeinflusst hat. Viele Singles fühlten sich einsam und vermissten schlicht und einfach den Kontakt zu anderen.
Vier junge Menschen erzählen, wie ihr Dating Leben durch Corona auf den Kopf gestellt wurde.
Eine Pause vom wilden Datinglife – David (21)
„Mein Dating-Leben vor Corona war echt wild“, meint David grinsend. „So dass man sich fast schämen könnte“. Der 21-jährige Medizinstudent datete „eher nur so zum Spaß“ bevor das Virus nach Deutschland kam und so wurde sein Dating-Leben doch ganz schön durcheinander gebracht. Man lernte niemanden mehr auf Partys kennen und auch sonst traf man nur noch seinen engsten Umkreis. „Ich hab dann auf das gute alte Tinder zurückgegriffen“, erzählt David. „Ich hatte nicht die primäre Absicht, eine Partnerin zu finden oder jemanden, um Spaß zu haben. Ich habe mir gedacht, es wäre einfach nice, jemanden zu finden, der etwas mit dir unternimmt.“ Für David klappte das Kennenlernen auf der Dating-Plattform gut. Was ihn jedoch störte waren die Oberflächlichkeiten, die solche Apps mit sich bringen. So likte er nach kurzer Zeit einfach jedes Profil, um die andere Person nicht direkt nach ihrem Aussehen zu beurteilen. Die „Bist du geimpft“-Frage war für ihn allerdings ein No-Go. „Für mich ist das an Oberflächlichkeit nicht zu übertreffen, wenn das bereits in der Bio ein Thema ist“, findet der 21-jährige. „Man kann sich doch erstmal normal kennen lernen und anschließend über das Thema sprechen. Ich finde das sehr persönlich“, fügt er hinzu.
Mit der Zeit lernte David immer wieder neue Leute kennen, mit denen er vor allem draußen in der Natur unterwegs war und das schien ihm auch nicht sonderlich schwer zu fallen. „Vieles hat sich aufs Online-Dating verlagert und auf Tinder waren einfach viele neue Leute unterwegs die gelangweilt waren, die einfach was machen wollten“, erzählt er. Dauersingle blieb David während der Pandemie allerdings nicht und so ergab sich irgendwann eine feste Beziehung zu einer Frau, die aber noch in der Corona-Hochphase wieder zu Ende ging. So wurde Tinder erneut installiert und das Online-Kennenlernen konnte weiter gehen. Seit das Leben wieder draußen stattfinden kann, nutzt er die Dating-Plattform aber kaum noch. „Es ist so leicht geworden, jemanden zu finden, der mit dir auf ein Date geht. Jeder hat wieder Bock, was zu machen“, sagt David erneut mit einem Grinsen im Gesicht.
Keine Dates ohne Maßnahmen – Cora Lüning (21)
„Ich habe mich schon manchmal einsam gefühlt während Corona“, erzählt Cora. Seit kurzem ist sie in einer glücklichen Beziehung und so schwand auch das Thema Einsamkeit in ihrem Leben. Vor der Pandemie lernte Cora ihre Dating-Partner meist über gemeinsame Freunde kennen. Mit Dating-Apps hatte sie nicht die besten Erfahrungen gemacht. „Ich habe während Corona ein Auslandsjahr in Frankreich gemacht und da habe ich mir dann Tinder runtergeladen“, erzählt die Studentin. „Das war irgendwie auch paradox, weil man auch Schiss hatte Corona, zu kriegen.“ Die App nutzte sie jedoch vor allem mit dem Gedanken, einfach Leute kennenzulernen, was überraschend gut zu klappen schien. Auch als Cora für ihr Studium nach Magdeburg zog, nutze sie Tinder erst einmal weiter. Auch wenn diese Art des Kennenlernens gut funktionierte, war es doch nie so wie vor der Pandemie. „Ich habe mich vor Corona sicherer gefühlt, wenn ich auf ein Date gegangen bin. Da gab es den Gedanken – fuck, was ist wenn jemand von uns Corona hat – noch nicht“, sagt Cora. Das Thema Impfung und Einhaltung von Maßnahmen war für sie sehr wichtig, so erzählt sie: „Ich hätte mich nicht mit einer ungeimpften Person getroffen. Da weiß ich direkt, dass mein Gegenüber einfach eine ganz andere politische Einstellung hat und dann hätte das zwischenmenschlich sowieso nicht gepasst.“ Mittlerweile hat Cora den Eindruck, dass das Thema Impfung keine so große Rolle mehr spielt, seit dem man wieder mehr Leute persönlich kennenlernt. „Ich habe das Gefühl, dass es aktuell sogar leichter ist, Menschen anzusprechen als noch vor der Pandemie. Man ist irgendwie mehr desperate nach menschlichem Kontakt“, sagt Cora nachdenklich.
Eine ganze Menge Dates – Bashir Swabury (26)
„Vor Corona war ich bestimmt ein bis zweimal die Woche auf einem Date“, berichtet Bashir. Der 26-jährige hat schon immer gerne gedatet und auch vor der Pandemie viele Leute über Tinder oder Instagram kennengelernt. „Während Corona ergaben sich die meisten Dates nur noch über Tinder. Gedatet habe ich aber genauso viel wie vorher“, erzählt er. „Die Leute waren auch mehr thirsty als vorher und wollten sich trotz Pandemie treffen.“ Die Dates sahen gezwungenermaßen etwas anders aus als vorher, denn ein Besuch im Restaurant oder Café war nicht mehr drin. So fand entweder das allseits beliebte Spaziergangsdate statt oder man traf sich zu Hause. „Ich hatte das Gefühl, dass die Leute sogar noch offener dafür waren, sich zu Hause zu treffen“, denkt Bashir. Auch wenn er stets offen war für persönliche Treffen, war das Thema Impfung für ihn durchaus von Relevanz. „Ich habe das schon vorher abgecheckt, ob die andere Person geimpft ist. Aber ich habe das lieber immer so auf einer Joke Ebene abgecheckt, um nicht direkt fragen zu müssen“, erzählt Bashir. „Ich weiß nicht, ob ich mich mit einer ungeimpften Person getroffen hätte. Die Einstellung des anderen ist mir schon wichtig.“ Seit dem die Maßnahmen gelockert wurden, hat sich Bashirs Dating Leben nur geringfügig verändert. Er lernt seine Dates teilweise wieder auf Partys kennen und die Treffen können wieder in Cafés und Restaurants stattfinden. „Ich habe aber das Gefühl, dass man jetzt sogar mehr Menschen kennenlernt als noch vor Corona. Die Leute haben irgendwie mehr Bock“, erzählt Bashir. Für ihn ist es jedoch ein bisschen schwieriger geworden, den Schritt nach draußen zu gehen. „Ich bin während der Pandemie introvertierter geworden. Die Frage ob ich zu einer Party gehe oder nicht ist für mich ein größerer Step geworden und ich lerne erst langsam, wieder rauszugehen.“
Ein Dating Marathon – Sophie Matern, 23
„Vor Corona sind die Dates quasi einfach so passiert“, erzählt Sophie. „Man hat auf Partys und über den Freundeskreis relativ flott neue Leute kennengelernt.“ Dating-Apps nutzte die 23-jährige vor der Pandemie nicht. Während des ersten Lockdowns installierte sie sich dann Tinder. „Es war ein guter Zeitvertreib und es hat Spaß gemacht, mit Leuten zu schreiben. Man hatte eben auch viel Zeit“, denkt Sophie. „Manchmal bin ich morgens aufgewacht und hatte zehn neue Nachrichten. Das war teilweise überfordernd aber auch cool.“ Trotz Corona wollte Sophie ihre Matches auch persönlich kennenlernen, um zu wissen, ob es eben auch in echt „matcht“. „In einer Woche hatte ich dann auch mal fünf Dates“, berichtet sie.
An das Thema Impfung und Einhalten der Maßnahmen ging sie eher behutsam ran. „Viele schreiben das direkt in die Bio, aber ansonsten hat man das dann meistens im persönlichen Gespräch herausgefunden“, erzählt sie. Nach einer Weile hatte Sophie es schließlich satt, neue Leute über Tinder kennenzulernen. Ihr wurde langweilig und beim ersten Treffen erzählte man sich dann doch meistens immer wieder die gleichen Dinge. So wurde Tinder erst mal vom Handy verbannt. Seit kurzem ist Sophie in einer festen Beziehung mit einem Menschen, den sie schon sehr lange kennt und den sie ganz ohne die App kennengelernt hat. Davon abgesehen freut sie sich auch ohne den Dating-Gedanken wieder neue Leute kennenzulernen, auch wenn es ihr schwerer fällt als noch vor der Pandemie. „Corona ist nicht spurlos an uns vorbeigegangen. Ich bin eigentlich eine sehr extrovertierte Person, aber ich habe gemerkt, dass ich zurückgezogener bin und mir das Socializing schwerer fällt“, erzählt Sophie nachdenklich.
Ein etwas anderes Kennenlernen
Online-Dating war zwar schon vor Corona ein beliebtes Mittel, um neue Menschen kennenzulernen und zu daten. Doch nicht nur David, Cora, Bashir und Sophie haben Tinder vermehrt oder sogar zum ersten Mal benutzt, als die Isolation ihren Lauf nahm. Seit Mitte 2020 stieg die Anzahl zahlender Abonnenten stetig – von 8,2 Millionen auf mittlerweile 10,7 Millionen Nutzer. Die Pandemie hat viele von uns nicht vom Dating abgehalten, aber sie hat verändert, wie wir uns kennenlernen und auch wen wir kennenlernen. So einige erste Dates haben wahrscheinlich anders stattgefunden – mit mehr Distanz und einem Spaziergang, egal zu welcher Jahreszeit. Der Sommer und die weggefallenen Maßnahmen machen nun vieles wieder leichter und darüber freuen sich bestimmt nicht nur Dating-bereite Singles.