Kennt ihr Work Bitch von Britney Spears? Das Lied schwirrt mir jedes Mal im Kopf herum, wenn ich versuche, meine Menstruationstasse so einzusetzen, dass nichts daneben läuft. Ja, liebe Menstruationstasse, you better work bitch! Wäre ja nicht auszudenken, wenn jemand an einem Fleck auf meiner Hose erkennen könnte, dass ich gerade menstruiere. Wie bitte, sie ist im Besitz aller für ihren als biologisch weiblich klassifizierten Körper typischen reproduktiven Organe, und diese funktionieren auch noch?! Wie kann sie nur?
Alle, für die das jetzt schon too much information war, können sich mit ungefähr jedem Menschen aller Zeiten zusammentun. Kaum ein Thema ist in der Vergangenheit so sehr tabuisiert worden wie die Menstruation. Ein römischer Gelehrter namens Plinius hat mal behauptet, dass in der Nähe einer menstruierenden Frau die Milch sauer wird, das Saatgut leidet und die Bienen sterben. Passend zu dieser abstrusen Aussage haben die Menschen in den letzten zweitausend Jahren einen ziemlich großen Bogen um die Thematik gemacht. Noch heute erzählen mir Leute in meinem Bekanntenkreis, dass sie ihre Binde auf der Toilette immer so klammheimlich auspacken, als hätten sie statt dem handelsüblichen Hygieneprodukt eine Crack-Pfeife in ihrer Handtasche aufbewahrt, und Tampons werden so unauffällig herumgetragen, als wären sie in Wahrheit Patronenhülsen.
Dabei sind wir doch eigentlich schon seit einiger Zeit auf einem guten Weg dahin, die Menstruation endlich als ein wichtiges Thema anzuerkennen, das niemandem unangenehm sein muss. Seit einigen Jahren wird die Periode, und alles was mit ihr zusammenhängt, immer häufiger thematisiert und auch normalisiert. Menschen sprechen offener über ihre Menstruation, ohne sie in zuckersüße Metaphern zu hüllen („Tante Rosa kommt zu Besuch” – geht’s noch?!) und es wird online über den Zyklus aufgeklärt.
Ebenfalls im Diskurs angekommen ist das Thema der Periodenarmut, das beispielsweise wohnungs- und obdachlose Menschen betrifft, die keinen Zugang zu Hygieneprodukten und sauberen Toiletten haben, weil ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Studien zufolge geben Frauen in ihrem Leben durchschnittlich 5000 Euro allein für Periodenprodukte aus – wenn dieses Geld fehlt, dann kann das eine ziemliche Belastung sein. Mangelnde Hygiene bringt nämlich besonders während der Menstruation Gesundheitsrisiken mit sich und setzt Menschen, die ohnehin an der Armutsgrenze leben, somit einer zusätzlichen Gefahr aus.
Anfang 2020 wurde zumindest die sogenannte Tamponsteuer endlich abgeschafft: Hygieneprodukte wie Tampons und Binden galten zuvor nicht als „Produkte des alltäglichen Gebrauchs” und wurden mit 19 Prozent besteuert. Diese Luxussteuer ist 2019 nach einer von Aktivist:innen ins Leben gerufene Petition endlich gekippt worden und Periodenprodukte unterliegen nun dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent – so wie es Produkte wie Trüffel oder Schnittblumen lustigerweise schon sehr viel länger tun.
Parallel zu dieser ziemlich erfreulichen Entwicklung wächst auch das Angebot an unterschiedlichen Produkten, die das Leben der menstruierenden Person erleichtern sollen – oder ihr das Geld aus der Tasche ziehen. Neben sinnvollen nachhaltigen Alternativen zu Binden und Tampons, wie zum Beispiel der Menstruationstasse, Periodenunterwäsche und waschbaren Binden, wird der Markt geflutet von gegendertem Kram, den so gut wie niemand wirklich braucht. Die Auswahl ist unendlich: Ich kann mir Tampons mit probiotischer Wirkung oder mit CBD-Öl reinziehen, mein morgendlicher O-Saft „Für Sie” ist mit Eisen und Vitamin B12 versetzt, und bei all den Intimwaschlotionen, extra geruchsneutralen Slipeinlagen und auslaufsicheren Leggings ist hundertprozentig garantiert, dass „da unten” auch alles schön unauffällig vonstatten geht. Damit ja niemand was mitkriegt von dieser Körperfunktion, die uns angeblich so „empowered”. Obwohl an den meisten dieser Produkte an sich nicht wirklich etwas auszusetzen ist, sind sie doch allesamt einer Industrie entsprungen, die sich zwar als besonders emanzipatorisch inszeniert, der die eigenen kapitalistischen Ziele jedoch immer wichtiger sind als die Menschen, deren Interessen sie zu vertreten vorgibt. Viele der Produkte sind zwar ganz praktisch, wären aber längst überflüssig, wenn die Menstruation nicht mehr als etwas ekelhaftes und peinliches gesehen werde würde, das versteckt, verschwiegen und parfümiert gehört. Außerdem lenken sie von der Tatsache ab, dass es die fairste Lösung für alle wäre, Periodenprodukte kostenlos zur Verfügung zu stellen, anstatt den Markt mit immer ausgefeilteren Produkten zu übersättigen.
Scheint also fast ein bisschen so, als wäre all die feministische Aufklärungsarbeit vor allem in unserem Geldbeutel, aber nicht so sehr in unseren Köpfen angekommen, oder?
Im Segment „Damenhygiene” wird deutschlandweit ein jährlicher Umsatz von über 650 Millionen Euro erzielt. Das vergisst man leicht, wenn man tagein, tagaus mit diesem Girlboss-Marketing beschallt wird, das einem weismachen will, ein handgerollter Bio-Tampon wäre ein feministisches Statement. Denn die Konzerne und Startups dieser Welt wissen natürlich, was bei der emanzipierten, Jutebeutel tragenden und um die Zukunft des Planeten besorgten jungen Frau gut ankommt, und daraus schlagen sie dann Profit. Vieles davon ist einfach nur Greenwashing – anderes kann sogar gesundheitsschädigend sein. So zum Beispiel Menstruationsschwämme, die zwar keine neue Erfindung sind, in letzter Zeit allerdings immer beliebter werden. Die Naturschwämme sind mittlerweile an vielen Orten erhältlich und werden als die nachhaltige Alternative zu Tampons angepriesen, weil sie ein nachwachsendes Naturprodukt sind und sogar beim Sex getragen werden können. Da sie zu empfindlich zum Auskochen sind, werden die Schwämme mit einer Mischung aus Wasser und Essig gereinigt, bevor man sie wiederverwenden kann. Es erklärt sich von selbst, dass die Dinger alles andere als steril sind, wenn man sie dann wieder einführt. Und nicht nur das: In den 80ern fanden Wissenschaftler in den USA nicht nur Bakterien auf den Schwämmen, sondern auch Sand, Hefepilze und sogar Schimmel. Kein Wunder, denn ein Schwamm ist nun einmal ein Meerestier. Davon abgesehen, dass ganze Ökosysteme davon beeinträchtigt werden könnten, wenn jede:r auf einmal Menstruationsschwämme verwenden würde, ist es auch eine alles andere als gute Idee, sich ein totes Meerestier in die Vagina einzuführen – Hallo?! Man würde ja auch keinen Seestern verwenden. Solche Schwämme können nicht nur zu Infektionen im Scheidenmilieu führen, sondern bergen auch ein Risiko, das Toxische Schocksyndrom zu auszulösen – so wie jeder stinknormale Tampon auch.
Letztendlich bleibt es natürlich jeder menstruierenden Person selbst überlassen, welche Produkte sie bevorzugt. Aber lasst euch nichts aufschwatzen, mit dem ihr euch nicht wohlfühlt. Ihr seid nicht an der Erderwärmung schuld, nur weil ihr einen Tampon tragt, egal was die Trulla im Alnatura-Markt behauptet.
Wer sich noch an das Pinky Gloves Fiasko erinnert (kleiner Reminder: Wir schreiben das Jahr 2021, zwei Männer wollen die Welt der Hygienprodukte revolutionieren und präsentieren einen pinken Handschuh aus Plastik zur Tamponentsorgung, mit dem frau sich nicht mehr da unten anfassen muss – weil eklig – und mit dessen Hilfe sie ihren männlichen Mitbewohnern den Anblick des blutigen Tampons im Mülleimer ersparen kann), der wird vielleicht glauben, dass die feministische Internet-Bubble ihr Endstadium der Empörung erreicht hat und es auf dem Weg zur Normalisierung der Menstruation eigentlich nichts mehr zu tun gibt. Doch ein Shitstorm gegen eine sexistische Startup Idee ist kein Ersatz für eine ernsthafte, flächendeckende und entstigmatisierende Aufklärung über Menstruation.
Denn nur, wenn Menschen nicht mehr auf diese völlig normale und eigentlich ziemlich unspektakuläre Körperfunktion reduziert werden, und der Zugang zu kostenlosen Hygieneartikeln – wie beispielsweise in Schottland – für alle bewerkstelligt ist, kann wirkliche Gleichberechtigung gelebt werden.