Schräg und doch normal: Fetische und Kinks

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Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Kink und einem Fetisch? Warum Kink-Positivity cool ist und wir offener über unsere sexuellen Vorlieben und Neigungen sprechen sollten. 

Menschen, die Puppy-Play betreiben oder auf Fetisch-Partys gehen, habe ich bisher nur in Reportagen gesehen. Mein Umfeld scheint wohl mehr auf „Vanillasex“ zu stehen, etwas anderes habe ich bisher zumindest noch nicht mitbekommen – oder man redet einfach nicht darüber. 

Erst kürzlich saß ich mit einigen Bekannten beim Mittagessen, wobei das Thema „Fußfetisch“ zur Sprache kam. Wie es meiner Erfahrung nach meistens so ist, wurden Witze darüber gemacht und eher abwertend darüber gesprochen. Kein Wunder, dass sich in solch einem Umfeld niemand als Fußfetischist:in „outet“. Komisch eigentlich, denn sind wir nicht die Generation, die ach so offen über Sex redet?” Neigungen, die als “nicht normal” gesehen sind, sind häufig immer noch Tabuthema und wenn darüber gesprochen wird, dann meist mit wenig Ernsthaftigkeit. Wir möchten offen sein, aber der Weg dahin dauert wohl noch etwas. 

Häufig wird der Begriff „Fetisch“ mit Wörtern wie “schräg” oder “verrückt” in Verbindung gebracht. „Fetische: Die schrägsten Sex-Vorlieben“ oder „Unglaublich: Die zehn verrücktesten Fetische“ gehören zu den obersten Google-Suchergebnissen, wenn man sich über Fetische informieren möchte. Einen anderen Eindruck bekommt man, wenn man gezielt nach Fetischmessen und Communities sucht. Hier findet sich auf einmal Aufklärung, Akzeptanz und eine Menge Leute, die ihre Fetische und Kinks voll und ganz ausleben. 

Fetisch oder doch „nur“ ein Kink?

Apropos Kink – dieser Begriff wird häufig als Synonym für Fetisch genutzt. Vor allem auf diversen Fetischseiten und in BDSM-Communities ist immer wieder die Rede von Kinks. Insbesondere in englischsprachigen Quellen hebt sich der Begriff “Kink” jedoch deutlich von dem des Fetischs ab. Ein Kink ist etwas, das uns erregt, aber nicht der sexuellen Norm entspricht. Was für dich vielleicht ganz normal ist, mag für deine Urgroßmutter super kinky gewesen sein. Ob etwas der Norm entspricht oder nicht, ist von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich und hat sich im Laufe der Zeit bestimmt auch stark verändert. Es ist eine Sache, die dich erregt und die du als aufregend empfindest, aber du benötigst diese Sache nicht zwingend, um erregt oder befriedigt zu sein. Bei einem Fetisch ist das anders. Du brauchst diese eine Sache, häufig ein bestimmtes Objekt, um befriedigt zu werden. 

“Auch in der Sexualwissenschaft wird der Begriff enger gefasst“, erklärt Dr. med. Torsten Freitag, Facharzt für Psychiatrie und Sexualtherapeut. In seiner sexualmedizinischen Praxis berät er unter anderem Menschen mit besonderen sexuellen Neigungen. “Fetischismus“ bezeichne ein Präferenzmuster, das spätestens mit der Pubertät festgelegt ist und lebenslang bestehen bleibt. Jeder Mensch habe eine individuelle Präferenzstruktur.

“Die meisten machen sich darüber keine Gedanken, und müssen das ja auch nicht, wenn in der erlebten Sexualität alles passt.”

“Fetisch“ bezeichne ein bestimmtes Objekt, das als erregend empfunden und sexuell begehrt wird. Und zwar nicht bloß als reizvolles und stimulierendes “Nice-to-have”, sondern wenn sich das sexuelle Interesse auf eben diesen Gegenstand selbst richtet. Alles Mögliche kann ein Fetisch sein: Wäsche, Strümpfe, Schuhe, Latex oder eben auch Füße. Solche Neigungen sind alles andere als ungewöhnlich. Meistens seien es jedoch Männer, die fetischistisch festgelegt sind – warum das so ist, bleibt bisher noch unklar.

Dein Kink ist nicht mein Kink, aber dein Kink ist okay

Zu seinem Fetisch oder Kink zu stehen ist manchmal gar nicht so leicht. Was ist, wenn mein:e Partner:in mit Ablehnung reagiert? Was ist, wenn er oder sie meinen Fetisch sogar abstoßend findet? Verständlicherweise hat man davor Angst und nimmt vielleicht sogar in Kauf, die eigene Sexualität nicht so auszuleben, wie man das gerne tun würde. Natürlich soll und kann man niemanden dazu zwingen am eigenen Kink teilzuhaben, gleichzeitig sollte sich niemand dafür schämen müssen. 

“Sei also mutig, erforsche und erlebe die Freude, die damit verbunden ist, zu akzeptieren und zu lieben, wer du bist!”, schreibt die Schriftstellerin Sienna Saint-Cyr in einem Fetischblog. Leichter gesagt als getan. Es kann super schwer sein, sich selbst und seine Eigenarten jeglicher Form so liebevoll und tolerant zu betrachten. Aber wo sie recht hat, hat sie recht und ich finde, das gilt für sämtliche Lebenslagen.

Zurück zum Mittagsgespräch über Fußfetische. So ein Kink- und Fetisch-Shaming passiert ständig. Niemand der Anwesenden hat sich bei diesem Mittagessen darüber Gedanken gemacht, dass abwertende Kommentare auch verletzend sein können. Ist man selbst nicht “betroffen” passiert diese Art von Shaming ganz häufig unabsichtlich, ohne dass man darüber nachdenkt. Wir haben alle unsere ganz persönlichen Vorlieben und nur, weil etwas nicht der Norm entspricht, heißt das nicht, dass es falsch ist. Genauso wenig falsch ist es, etwas nicht zu mögen. Jeder hat seine Grenzen und du musst nichts tun, was du nicht willst, nur um jemanden einen Gefallen zu tun. Kink-Positivity bedeutet, nicht zu verurteilen, sondern die anderen einfach machen zu lassen.

Begreifen als Teil der eigenen Sexualität

Den eigenen Fetisch akzeptieren und annehmen, das empfiehlt auch Dr. Freitag:

“Ein Fetisch ist eine individuelle Besonderheit, die Lust macht. Das ist etwas Positives, solange es niemanden gefährdet”.

Einen Fetisch könne man nicht ändern, nicht um- oder wegtherapieren. Das Ziel sei also, sich damit zu identifizieren und den Fetisch auch als Paar, wenn möglich, in das eigene Sexleben zu integrieren. Letztlich entscheide aber der:die Ratsuchende selbst, welches Ziel mit der Beratung erreicht wird. In der Realität kann ein Fetisch natürlich auch zu einem Leidensdruck führen, sowohl für sich selbst als auch für den:die Partner:in. Dr. Freitag erklärt:

“Wenn man zum Beispiel Socken braucht, um sexuelle Lust zu verspüren, dann kann einen das selbst stören, weil man sehr schmalspurig festgelegt ist. Oder es stört die – meist Partnerin -, wenn sie denkt: Der begehrt nicht mich, sondern nur die Socken. Es gibt auch Fantasien, die nicht umsetzbar sind, zum Beispiel physikalisch. Das wäre ein guter Grund sich in Beratung zu begeben, um zu klären, wie gehen wir damit um”.

Viele seien sich darüber jedoch im Klaren und somit gar nicht auf eine Beratung angewiesen. Der Sexualtherapeut ist sich sicher: Häufig lassen sich Präferenzen besser in das eigene Leben einbauen, als man sich das vielleicht vorstellt. Und wo wir wieder bei der Kink-Positivity sind – Dr. Freitag ist sich sicher:

“Menschen dürfen alles Mögliche probieren, sofern niemand überfordert oder gefährdet wird.”

Und sind wir mal ehrlich: Eigentlich wäre es doch ziemlich langweilig, wenn wir alle die gleichen Vorlieben hätten und man so nie auf etwas Neues stößt. Niemand sollte anderen das Gefühl geben, ihre Kinks wären nicht okay. Und vor allem sollten wir uns selbst nicht für unsere Kinks und Fetische schämen und so vielleicht sogar zu der Generation werden, die wir vorgeben zu sein: Die Gen Z, die tatsächlich offen über Sex spricht.

Johanna Pichler

Johanna ist 23 Jahre alt und studiert Journalismus in Magdeburg. Bei Canapé schreibt sie über Themen, die unsere Gesellschaft und vor allem junge Menschen betreffen. Außerdem probiert sie sich in Sachen Social Media aus. In ihrer Freizeit ist Johanna übrigens auch eigens ernannte Expertin für Trash-TV.

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