Neuland: Das mit den persönliche Grenzen ist manchmal leichter gesagt als getan

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Der Duden definiert eine Grenze als eine “Trennungslinie zwischen Gebieten, die im Besitz verschiedener Eigentümer sind oder sich durch natürliche Eigenschaften voneinander abgrenzen”. Überträgt man diese Definition auf eine persönliche Ebene, bedeutet das, dass ich meine Umwelt von mir und meinen Bedürfnissen klar abtrenne, zum Schutz meiner selbst.

Persönliche Grenzen sind für mich spannend und verwirrend zugleich. Sie sind für oft nicht klar zu benennen und beruhen doch auf einem starken Bauchgefühl, das für mich wie eine Bremse funktioniert. Meine Grenzen prägen mich selbst und gleichzeitig meine Wirkung auf andere. Denn wer zu viele Grenzen hat, ist langweilig und verschließt sich vor der Welt und ihren Möglichkeiten. Oder?

Mit dieser Einstellung ging ich lange durchs Leben, denn starke Grenzen und Prinzipien hatte ich nicht. Vielmehr wollte ich alles wahrnehmen, bei allem dabei sein und immer weniger verstand ich Menschen, die schnell und klar Grenzen zogen, weil es ihnen damit scheinbar besser ging.

Meine erste Grenze, die ich bewusst wahrnahm, war mit 18 und hieß Alkohol. Nicht, weil ich es übertrieben hatte, sondern weil ich merkte, dass ich den Zustand vom betrunken sein nicht mochte. Seitdem trank ich auf Partys Fanta aus Red Cups und durfte mich mindestens einmal am Abend der vorwurfsvollen Frage stellen, weshalb ich denn gar nichts trinke. Was anfangs eine unangenehme Situation darstellte, die ich mit Notlügen löste, wurde mit der Zeit eine klare Grenze, die ich mittlerweile (meist) problemlos kommunizieren kann.

Denn ich verstehe all die Menschen mit klaren Grenzen, die ich Jahre vorher  nie nachvollziehen konnte. Wie auch? Grenzen sind mit das Persönlichste, das man sich vorstellen kann. Sie sind von außen kaum nachzuempfinden und doch sind sie ein Schutzmechanismus. Und vor allem sind sie nichts, weswegen man sich ein Urteil über jemanden erlauben sollte. 

– Antje

Ich habe mir nie Gedanken über meine Grenzen gemacht. Aber das war lange auch nicht wirklich wichtig. Meine gesamte Kindheit und Jugend über war es meine oberste Priorität dazuzugehören, von allen gemocht und akzeptiert zu werden. Ich hatte immer den Eindruck, mir fällt es schwerer als anderen, gut bei Mitmenschen anzukommen, mich anderen gegenüber zu öffnen und Freunde zu finden. Und weil ich als Kind nicht wirklich cool war und nicht so super gut bei anderen Kindern ankam, konnte ich es mir nicht leisten, Grenzen zu setzen. Dachte ich jedenfalls. 

Ich war lange die Version meiner selbst, von der ich dachte, dass das die Art ist, wie man sein muss, um bei anderen anzukommen. Um dieses künstliche Ich aufrechtzuerhalten, habe ich ziemlich viel ausgehalten. Spoiler: Es hat nicht wirklich viel gebracht.

Als Kind ein Außenseiter zu sein, ist zwar nicht schön, aber wenn man nicht beliebt ist, muss man früher oder später irgendwie anders versuchen, das eigene Uncool-Sein zu kompensieren – und zwar mit dem eigenen Charakter und in meinem Fall mit Humor. 

Mein Trauma hat mich dazu gezwungen mich viel mit mir selbst zu beschäftigen und mich dadurch heute auf irgendeine Art und Weise selbstbewusst gemacht. Dieses Selbstbewusstsein ist groß genug, um jetzt als Erwachsene meine Grenzen klar aufzuziehen und zu kommunizieren. Meine Grenzen sind nicht verhandelbar. Ich lebe dadurch in den meisten Lebensbereichen eine sehr authentische Version meiner selbst und habe nicht mehr das Gefühl mich für andere verbiegen zu müssen. Und ich glaube, genau deshalb gehöre ich mittlerweile dazu. 

– Nicole 

Laut dem 16-Personalities-Test bin ich ein Protagonist, genauer gesagt Typ ENFJ-A. Das bedeutet, dass ich Beziehungen ernst nehme, ein natürliches Selbstvertrauen in mir trage und Dinge gerne plane. Es bedeutet, aber auch, dass ich in einem konstanten Zwiespalt lebe. Denn in meinem Ergebnis des Tests steht auch, dass ich genau 50% introvertiert und 50% extrovertiert bin – und das ist für mich oft ganz schön kompliziert.

Meine extrovertierte Seite trifft sich gerne und oft mit Freund*innen und liebt es, neue Erfahrungen zu sammeln. Ich freue mich immer, wenn ich zu Partys eingeladen werde, und alleine zu wohnen kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Meine introvertierte Seite braucht aber mindestens genauso viel Zeit für sich. Ich spüre sehr genau, wenn meine Socializing-Grenze erreicht ist und ich eigentlich nur noch Lust auf einen Netflix-Abend allein in meinem Bett habe. Aber dafür Pläne abzusagen? Das fühlt sich nicht gut an, denn mein zwiegespaltenes Ich ist extrem anfällig für FOMO. Sobald ich die Insta-Stories von Freund*innen sehe, gehen bei mir die Alarmglocken los. Was, wenn ich grade den besten Abend des Jahres verpasse? 

Ich weiß, dass ich meine Grenzen richtig ziehe und ich sowieso keinen Spaß an der Party hätte, wenn ich eigentlich meine Ruhe brauche. Aber der extrovertierten Hälfte meiner Persönlichkeit muss ich dieses Wissen noch verdeutlichen, damit ich meinen Netflix-Abend hinter meiner Grenze auch zu 100% und nicht nur zu 50% genießen kann. 

Moni

Antje Burket, Nicole Meck, Monika Rathmann

In so schnelllebigen Zeiten wie diesen, im Alltag, aber auch beim Versuch die Komfortzone zu verlassen, haben die drei Freundinnen Moni, Antje und Nicole oft das Gefühl, Neuland zu betreten. In ihrer Kolumne schreiben sie über neue Erfahrungen, erste Erlebnisse und manchmal etwas überfordernde Gefühle. Oder auch: eine Sammlung an WG-Küchengesprächen zum Lesen.

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