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Neuland: Zwischen den Welten – Von der Schwierigkeit, heimzukehren

Reisebild

Heimkehren ist für mich immer schon eine schwierige Sache gewesen. Nicht, weil ich mein Zuhause nicht mag, ganz im Gegenteil. Sondern weil ich mich jedes Mal ein wenig orientierungslos fühle, nicht ganz ankomme, ein Teil von mir noch fern bleibt. Nach dem Urlaub verschwindet dieses Gefühl in den ersten Stunden nach der Ankunft wieder  – aber nach längeren Reisen, musste ich erst Lernen, damit umzugehen. 

Meine erste große Heimkehr habe ich nach dem Abi erlebt. Ich bin nach zwei Monaten aus Chile zurückgekehrt und war eine andere – auch, wenn das natürlich wie das Lisa-in-Australien-Klischee klingt. Aber diese Reise war eben die vermutlich prägendste Zeit meines bisherigen Lebens, weil ich sie ohne Hilfe in einem fremden Land bestritten habe. Was für andere nur zwei kurze Monate waren, war für mich so viel mehr. Ich hatte mich weiterentwickelt, war erwachsener geworden und wusste viel besser, wer ich war.

Zurück zu Hause konnte ich nicht hineinfinden in das Bild, das dort alle von mir hatten. Plötzlich konnte ich mit vielen Freund:innen aus der Schulzeit keine gemeinsamen Interessen mehr finden und mich auch ehrlicherweise nicht in ihre Probleme einfühlen. Ich bin in ein Umfeld zurückgekehrt, das noch immer das Gleiche war wie zuvor, nur dass ich nicht mehr wirklich hineinpasste. Niemand hat damals etwas falsch gemacht oder absichtlich den Kontakt abgebrochen – meine Reise hat nur einen natürlichen Prozess beschleunigt.

Es hat einige Zeit gedauert, bis ich mich nach meiner Heimkehr wieder richtig wohl gefühlt habe. So richtig angekommen bin ich aber in meinem alten Umfeld nicht mehr und das hat sicher dazu beigetragen, dass ich für mein Studium in eine ganz andere Ecke von Deutschland gezogen bin. 

Dieses Mal dachte ich, würde das nach Hause kommen sicher leichter werden. Die großen verändernden Erfahrungen habe ich schließlich schon erlebt und ich war mir sicher, dass ich mich mit meinen Freund:innen auch nach einem halben Jahr in Spanien noch genauso gut verstehen würde. Und zu Beginn hatte ich auch das Gefühl, als wäre es leicht, wieder zurück zu sein. Erst nach ein paar Wochen habe ich gemerkt, dass das doch ein wenig naiv war.

Denn ja: Oberflächlich hat sich während meiner Abwesenheit fast nichts verändert. Ich habe mich gefreut, alle wiederzusehen, ich bin fast mühelos wieder in meinen alten Alltag gerutscht und es war schön, wieder hier zu sein. Aber in Gesprächen, in feinen Nuancen zwischenmenschlicher Beziehungen, ist dann doch aufgefallen: Ich habe mich verändert. Nicht so drastisch wie in Chile, aber ich merke trotzdem, dass ich neue Sichtweisen, neue Einstellungen, neue Perspektiven gewonnen habe. Dass mir Wesenszüge an anderen Menschen auffallen, die ich früher nicht an ihnen bemerkt habe. Dass eben schon irgendetwas anders ist als davor.

Und so schön und wichtig Veränderung auch ist, ist sie trotzdem oft schwierig. Denn mit meinem Fortgehen habe ich mich nie gegen einen Zustand entschieden, sondern nur für eine neue Erfahrung. Und habe damit in Kauf genommen, dass sich auch Dinge verändern, die ich im Status-Quo mochte. Ich habe auch noch keine Lösung dafür gefunden, wie ich mir das Heimkommen erleichtern kann. Ich denke, die Orientierungslosigkeit ist einfach ein Symptom, dass immer wiederkehren wird. Und ebenso, dass ich immer einen Teil von mir in der Ferne lassen und mit einem neuen Teil wiederkehren werde. Wachstum lässt sich nicht aufhalten und das würde ich auch auf keinen Fall wollen. Denn ich mag, zu wem ich mich entwickelt habe als ich an fremden Orten war.

Auch, wenn ich mich dabei von manchen Menschen verabschieden musste. Auch, wenn ich mich so oft fehl am Platz fühle und denke, zwischen den Welten zu stehen. Denn zwischen den Welten bin ich zwar an keinem Ort so richtig, aber dafür ganz nah bei mir. 

Moni Rathmann

Moni Rathmann studiert in Bonn English Studies und Komparatistik im Bachelor und arbeitet nebenher (oder vielmehr hauptsächlich) beim Campusradio mit. Bei Canapé schreibt sie Texte für die Neuland-Kolumne und liebt es, Themen zu besprechen, die unsere Generation und sie selbst höufig umtreiben. Wenn sonst noch Zeit bleibt, findet ihr sie auf Konzerten.

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