Neuland: In Städten bade ich in Endorphinen

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Ich bin schon immer ein Stadtmensch gewesen. Wenn ich mal groß bin, das wusste ich, dann werde ich das Landleben hinter mir lassen und losziehen in die Großstadt, wo tausende Menschen an mir vorbei strömen und es so viel mehr zu entdecken gibt, als in meinem Heimatdorf. Nichts konnte meine Faszination so schüren, wie mit der S-Bahn ins Zentrum zu fahren und dort all die Geräusche und Bilder auf mich wirken zu lassen. Dieses Gefühl ist auch nie weggegangen. Vielleicht wirkt alles weniger groß auf mich, aber diese Endorphine spüre ich trotzdem nur in großen Städten, wenn neben mir die Bahn vorbeirauscht, Musik aus einer Ecke schallt und ich auf meinem Weg Business-Frauen ausweichen muss. 

Jede Stadt schüttet dabei ihre eigenen Endorphine aus, eingehüllt in die lokalen Bräuche und Farben der Häuser und den Geruch nach Wind, der durch die Straßen weht.

Meine erste Liebe München fühlt sich so an: Feines zerstäubtes Brunnenwasser auf der erwärmten Sommerhaut, der Geruch nach frisch gezapftem Bier und Erinnerungen an die ersten Großstadt-Erlebnisse als aufgeweckte Teenagerin. 

Meine große Liebe Santiago schmeckt nach Cherimoyas und Manjar, ich spüre mein erstes Tattoo auf der Haut und schlendere durch Artesanía-Märkte. Hinter mir wird chilenisches Spanisch gesprochen und ich fühle mich so stark und frei wie nie zuvor. 

Meine Uni-Stadt Bonn ist grün, vor allem wenn ich aus der Uni in den Hofgarten schaue. Die Stadt schmeckt nach Kölsch und Falafel-Dürüms und ich werde hier wirklich erwachsen. 

Und Cádiz, diese neue Stadt, fühlt sich so an: Die ältesten Gassen Europas spenden wohltuenden Schatten und die salzige Meeresluft lässt mich entspannen. Auf dem Markt riecht es nach Fisch und allerlei Früchten, der Geschmack von Tapas liegt mir noch auf der Zunge. Nach langen Monaten tanze ich wieder Nächte durch – und liebe es, endlich wieder ganz neue Ecken zu entdecken.  
Denn mit jeder neuen Sorte Endorphine entwickelt sich auch immer ein neues Ich. Mit all den neuen Eindrücken, komme ich näher zu mir selbst und entwickle mich doch immer auch ein bisschen weiter. Ich liebe Städte für ihre Offenheit, für ihre Lebenslust und ihren Raum zur Selbstentfaltung. Jede Stadt hinterlässt ihren eigenen Zauber auf meiner Haut. Ich bade in Endorphinen – und werde noch so viele Bäder in neuen Farben und neuen Düften nehmen, wie ich kann. Ich glaube nicht, dass ich irgendwann gesättigt bin.

Moni Rathmann

Moni Rathmann studiert in Bonn English Studies und Komparatistik im Bachelor und arbeitet nebenher (oder vielmehr hauptsächlich) beim Campusradio mit. Bei Canapé schreibt sie Texte für die Neuland-Kolumne und liebt es, Themen zu besprechen, die unsere Generation und sie selbst höufig umtreiben. Wenn sonst noch Zeit bleibt, findet ihr sie auf Konzerten.

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