Eine Erinnerung aus meiner Jugend, die ich noch heute bildlich vor Augen habe, war der Geburtstag eines Freundes. Ein schöner Abend, an dem wir alle gut gelaunt waren und ein bisschen getrunken haben. Weit nach Mitternacht wurde ich langsam müde, aber ich solle noch nicht schlafen gehen, sagte man mir. Wir warteten alle zusammen, genau bis 04:20 Uhr am Morgen, damit die Jungs eine Tüte rauchen konnten. Auf den Geburtstag des Freundes. Das war sein Geschenk.
Warum diese Geschichte heute noch so präsent in meinem Kopf ist und warum ich deswegen auch eine emotionale Verbindung zu dieser Zahl habe? Weil es mir eine persönliche Bindung zu 420 gegeben hat, wenn auch ganz willkürlich, spontan und einmalig.
Heute ist dieser 420er Tag. Nach amerikanischer Schreibweise 4/20 – der 20. April. Einige meiner Freund:innen sind heute verabredet, wenn auch nur um an frühere Zeiten zurück zu denken. Ich denke auch gerne an alte Zeiten zurück, aber manchmal noch lieber nach vorne. Wie wird sich die Haltung zu Cannabis in den nächsten Jahren verändern – in meinem Umfeld und in der Gesellschaft? Wird die Legalisierung kommen? Was verändert all das für mich persönlich?
Politisch gesehen sah es noch nie so sehr nach einer Legalisierung aus wie in der aktuellen Legislaturperiode. Die Ampel-Koalition hat sich darauf verständigt, die Legalisierung durchzusetzen. Expert:innen schätzen es als realistisch ein, dass dies im Jahr 2024 erfolgt. Das Ganze soll dann direkt ein All-In-Projekt werden: Anbau, Weiterverarbeitung, Verkauf. All das soll legal werden und unter staatlich kontrollierten Richtlinien stattfinden. Marihuana soll dadurch für jede und jeden zugänglich, Qualitätskontrollen garantiert, und Steuereinnahmen geschaffen werden. Was für die einen pure Freiheit darstellt, ist auch für den Staat eine Möglichkeit, enorme Steuergewinne zu realisieren.
Für mein Umfeld wird die Legalisierung einiges erleichtern. Auch, wenn in meinem engen Freund:innenkreis wohl niemand regelmäßig Gras raucht. So ist es trotzdem für die paar Abende, an denen dann doch geraucht werden soll, deutlich angenehmer einfach in einen Laden gehen zu können und dort sicher Marihuana zu kaufen. Und ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Punkt sein wird. Die Menschen, die regelmäßig konsumieren, haben meist ihre Netzwerke und Vertrauenspersonen.
Auf der anderen Seite stellt eben der Punkt des Netzwerks für Menschen, die nicht regelmäßig konsumieren, ein großes Problem dar. Wem kann ich vertrauen? Wer ist ehrlich zu mir? Wo bekomme ich „gutes“ Gras?
Ich habe mich lange nicht mehr mit der Zahl 420 auseinandergesetzt, bevor die aktuelle Regierung ihren Koalitionsvertrag vorgelegt hat. Die Legalisierung schafft für unsere Generationen und viele folgende einen komplett neuen Umgang mit Marihuana als Droge. Aber eben auch als Genussmittel, so wie Alkohol es in unserer Gesellschaft oft ist. Wir haben die Möglichkeit nicht kriminell werden zu müssen, um uns Marihuana zu kaufen und wir haben die Möglichkeit zu kontrollieren, was wir kaufen. All das macht mich ein wenig euphorisch. So wenig ich ein Loblied auf den Marihuana-Konsum singen möchte, so sehr ist mir in den letzten Monaten klar geworden, dass ein gesellschaftlich gesunder Umgang mit dem Thema enorm wichtig ist. Einerseits um Aufklärung leisten zu können, andererseits um ein Stück Selbstbestimmung zu gewinnen, für jede einzelne Person unserer Gesellschaft – egal ob man es selbst rauchen mag oder nicht.
Und deshalb rufe ich heute vielleicht ein paar alte Freunde an, quatsche mit ihnen über die alten Tage und warum ich heute an sie gedacht habe. Das ist dann wohl meine Verbindung zu diesem Tag, eine Verbindung, die mich heute aber ganz glücklich macht.