Fast Furniture – das sind Möbel, die weder nachhaltig produziert werden, noch besonders qualitativ hochwertig sind. Sie werden als kurzlebige Massenware hergestellt und dienen als Konsum- und Lifestyleprodukt. Während „Fast Fashion“ uns allen mittlerweile ein Begriff ist, ist das Phänomen “Fast Furniture” jedoch noch relativ unbekannt. Immer wieder werden die schlechten Arbeitsbedingungen, unter denen Näher:innen im Globalen Süden schuften, thematisiert. Auch für die ökologischen Auswirkungen der Modeindustrie scheint sich ein immer größeres Bewusstsein zu entwickeln.
Aber wie sieht es in der Einrichtungsindustrie aus? Einrichtung, oder zu neudeutsch Interior, ist mittlerweile eine Frage des Lifestyles. Genau wie in der Modeindustrie gibt es sogenannte Mikrotrends, die unsere Kauflust ankurbeln, aber nach kurzer Zeit wieder abreißen. Während Möbel früher über Generationen vererbt wurden, wird einem heute in Werbeanzeigen und auf Social Media vermittelt, dass es völlig normal sei, ständig die eigene Wohnung umzudekorieren. War vor wenigen Jahren Minimalismus absolut im Trend, werden mir jetzt immer wieder Inhalte von maximalistisch eingerichteten Wohnungen in die Timeline gespült.
Mein Eindruck ist, dass Einrichtung im Zeitalter absoluter Individualisierung verstärkt eine identitätsstiftende Funktion erfüllt. Durch soziale Medien haben wir heute einen viel stärkeren Einblick in das Zuhause fremder Menschen. Dadurch können wir uns und unsere Art zu Wohnen im höheren Maße vergleichen.
Diese Vergleichbarkeit, günstigere Möbelpreise, und omnipräsente Werbung regen Verbraucher:innen zum Kauf an. Aufgrund globalisierter Produktionsketten ist es allerdings so gut wie unmöglich herauszufinden, wo und unter welchen Bedingungen Möbel produziert werden. Zahlreiche Siegel verhelfen nicht zu Klarheit, sondern stiften eher Verwirrung, da Siegel bekanntermaßen von Hersteller:innen zum Greenwashing herangezogen werden.
Aber was sind die Alternativen?
Mein WG-Zimmer besteht mittlerweile eigentlich nur noch aus Second-Hand-Möbeln. Mit einer fast peinlichen Akribie durchforste ich regelmäßig eBay-Kleinanzeigen nach günstigen Einrichtungsgegenständen und markiere mir die Abende vor der Sperrmüllabholung schon Monate im Voraus in meinem Terminkalender. Immer auf der Jagd nach einem neuen alten Lieblingsmöbelstück. Wenn es dann soweit ist, bin ich die erste, die mit Jutebeutel und Taschenlampe durch die Straßen streunt und die ehemaligen Habseligkeiten ihrer Nachbar:innen durchwühlt.
Dadurch ist mittlerweile ein ganzes Sammelsurium an Stühlen, Blumentöpfen, Geschirr und anderem Kleinkram in meinen Besitz gelangt. Manches davon hätte ich mir für Geld sicherlich nicht gekauft, habe es mir aber zum Anlass genommen, es mal mit Upcycling, dem Aufbereiten von Stoffen oder Abfallprodukten, zu versuchen. Vor einer Weile habe ich einen alten Schreibtisch mit wackliger Tischplatte auf der Straße gefunden. Er war weder modern, noch auf eine coole Art und Weise alt, weswegen ich ihn in mühevoller Handarbeit abgeschliffen und gestrichen habe.
Den Gedanken, einem Möbelstück, das nur knapp der Müllabfuhr entgangen ist, ein zweites Leben zu geben, finde ich schön. Wobei ich zugebe, dass mir bei Sperrmüll-Streifzügen meistens so viele Menschen begegnen, dass einige Sachen wohl nie im Müll gelandet wären.
Und jetzt alle! Oder?
Ich komme mit dieser Möblierungsstrategie ganz gut zurecht, denn ich habe Zeit und Kapazitäten mein Zimmer auf diese Weise einzurichten und so den Konsum von Fast Furniture zu vermeiden. Mir ist jedoch auch bewusst, dass viele Menschen weder die Zeit noch Lust haben, an ihren freien Nachmittagen auf Kleinanzeigen-Portalen abzuhängen. Ihnen kommt es mehr entgegen, wenn sie am Stadtrand günstige Möbel und Hot Dogs shoppen können.
Früher hätte ich vielleicht ein wenig meine Nase darüber gerümpft, mir gedacht, dass gebrauchte Möbel ja sogar günstiger wären als Fast Furniture und mir dabei insgeheim ein bisschen auf die Schulter geklopft, weil ich so verdammt nachhaltig lebe. Mittlerweile sehe ich das anders. Erstens ist es ein großes Privileg überhaupt die Wahl zu haben, ob und auf welche Weise ich Möbel konsumieren will. Und zweitens ist mir bewusst geworden, dass mein Widerstand gegen die kapitalistische Möbelindustrie gar nicht so widerständig ist, weil es in meiner Studi-Bubble einfach als hip gilt, Retro-Möbel zu besitzen.
Also: ich bin weder besser als Menschen, die aus finanzieller Not günstige Möbel kaufen, noch als Menschen, die dies aus Selbstinszenierungszwecken tun. Und so richtig losgelöst von gesellschaftlichen Normen habe ich mich mit meinem Nicht-Konsum ja auch nicht. Ganz im Gegenteil sogar, er erfüllt genau so eine identitätsstiftende Funktion wie der Konsum von Fast Furniture. Einrichtung funktioniert hier quasi als Mittel zur Abgrenzung von anderen gesellschaftlichen Milieus.
Das nächste Mal, wenn ich mich dabei erwische, wie ich mich für meinen Nicht-Konsum selbst zelebriere, werde ich mir also – bei aller Sympathie für einen nachhaltigen Lebensstil – die Frage stellen, von wem und wieso ich mich da eigentlich abgrenzen möchte. Was wir statt studentischer Hochnäsigkeit in Hipster-WGs brauchen, sind Menschen, die die Politik dazu auffordern, ein verbindliches Lieferkettengesetz umzusetzen und Löhne, die es Konsument:innen ermöglichen, sich faire Möbel leisten zu können.
Und dann kann man sich den maximalistischen (oder minimalistischen) Traum ganz unpolitisch verwirklichen.