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Wie feiert man den feministischen Kampftag?

Alle Jahre wieder beschließt die Welt, dass die Sache mit dem Feminismus vielleicht doch mehr als ein unangenehmes Gesprächsthema ist und reißt sich zusammen, um den Internationalen Frauentag zu feiern. Google veröffentlicht zu Ehren dieses Tages ein Doodle mit sich an den Händen haltenden Frauen.  

Blumenläden benennen ein Bouquet nach Margarete Stokowski und Artikel über die vielen starken Frauen dieser Welt schießen wie Pilze aus dem mit Likes genährten Boden des Internets. Irgendwie geht es in diesen Artikeln immer um Simone de Beauvoir. Nichts gegen Simone de Beauvoir und auch nichts gegen Blumen, obwohl ich persönlich das Bouquet „Alice Schwarzer“ dem Strauß Stokowski vorziehe, doch hübsche Bilder und kurzlebige Pflanzen sind gegen das ausgesprochen langlebige Patriarchat eben eher ungeeignete Mittel.

Tweet von Penelope Kemekenidou
Quelle: https://twitter.com/penel_pe/status/1234060541049626624

Aus diesem und weiteren Gründen haben viele Feminist:innen sich inzwischen vom Weltfrauentag abgewandt. Stattdessen feiern sie den feministischen Kampftag. An dieser Stelle soll nicht angenommen werden, dass alle Lesenden den Unterschied zwischen Erstem und Letzteren kennen, daher ein kleiner Exkurs: Beim internationalen Frauentag soll die Gleichberechtigung aller Geschlechter gefeiert werden. Der Sinn des Feminismus ist es ja, dass Menschen, egal  welchen Geschlechts dieselben Chancen im Leben haben. Im Grunde ist der Internationale Frauentag also ein feministischer Kampftag. 

Allerdings schließt die Bezeichnung „feministischer Kampftag“ auch Transmenschen und nicht-binäre Personen mit ein. Denn nicht nur Menschen, die im Körper einer Frau geboren werden und sich auch als solche verstehen, leiden unter dem Patriarchat. All jene, die keine Cis-Männer sind, tragen den feministischen Kampf mit. Oder wie die zu Recht häufig zitierte Simone de Beauvoir schreibt: „Man ist nicht als Frau geboren, man wird es.“

Der feministische Kampftag hat eine lange und komplizierte Geschichte, die ich hier nur kurz anreißen möchte. In Deutschland fand er zum ersten Mal 1911 statt. Damals ging es bei anlässlichen Protesten vor allem um das Frauenwahlrecht. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde der Tag immer wieder an und abgeschafft, doch inzwischen ist er einigermaßen etabliert. In Berlin ist der 8. März seit 2019 sogar ein gesetzlicher Feiertag. Die anderen Bundesländer haben bisher nicht nachgezogen, obwohl Mecklenburg-Vorpommern mit der Idee liebäugelt.

Der Begriff Feiertag impliziert, dass es etwas zu feiern gibt. Das klingt nach Frühstück im Bett und ein Glas Sekt zum Abendessen. Außer den Berliner:innen hat dafür am 8. März keiner Zeit und ähnlich wie Google Doodles und Blumensträuße ist dem Feminismus mit kleinen Ausbrüchen im Alltag nicht geholfen. 

Wie also feiert man den feministischen Kampftag, wenn nicht mit Alkohol und Freizeit?

Das Internet hat dazu viele Ideen, von denen die meisten aber eben etwas mit Alkohol und Freizeit zu tun haben. Das Internet füllt sich in der ersten Märzwoche mit Tipps zum Brunch mit den Mädels und starke Frauen, die hauptsächlich Simone de Beauvoir sind. Ein Artikel fordert Leser:innen dazu auf, Frauen Komplimente zu machen, außerdem könnte man sich mal wieder bei weiblichen Verwandten melden.

Versteht mich nicht falsch, Brunch ist meine Lieblingsmahlzeit und ich habe wunderbare Frauen in der Familie, die ich definitiv öfter anrufen sollte. Aber gerade mit Letzterem sollten wir nicht ausgerechnet bis zum feministischen Kampftag warten. Es bedarf keines Tages, an dem sich alle Menschen, die keine Cis-Männer sind, mit einem Brunch dafür belohnen, das Patriarchat ein weiteres Jahr ertragen zu haben. Den feministischen Kampftag auf diese Weise zu feiern trägt nicht dazu bei, dass das nächste Jahr anders oder besser wird. Natürlich gibt es auch Märsche und Proteste, aber ohne gesetzlichen Feiertag haben viele Menschen schlichtweg nicht die Möglichkeit, daran teilzunehmen.

Wie feiert man also den feministischen Kampftag?

Nun, ich möchte mir nicht die Autorität anmaßen, diese Frage definitiv zu beantworten. Aber persönlich glaube ich, der Schlüssel liegt im Namen des Tages. Der feministische Kampftag ist nun einmal ein Kampf- und kein Feiertag. Die vom Patriarchat unterdrückten  feiern also nicht, sie kämpfen, so wie an jedem anderen Tag auch. Insofern besteht zwischen dem 8. März und jedem anderen Tag im Jahr tatsächlich kein besonders großer Unterschied. Nicht umsonst kritisieren Feminist:innen immer wieder, dass ein Tag aus 365 immer noch 364 Tage übrig lässt. „Eine galante Geste – und wie jede Galanterie gönnerhaft, ja eigentlich verächtlich“, meint Alice Schwarzer.

Meiner Meinung nach ist der 8. März trotzdem etwas Besonderes. Denn anders als am 7. und 10. März sieht die Welt am 8. März den Kämpfenden tatsächlich zu, und vielleicht kann das ja mit der Zeit doch etwas verändern.

Franziska Balzer

Franziska studiert Journalistik in Hannover. Für Canapé schreibt sie übers Erwachsenwerden und Intimität. Franziska interessiert sich für Politik und Literatur und ist besonders fasziniert von Autoren, deren Leben noch spannender waren als ihre Geschichten.

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