Time is money – Gemeinsam für den Equal Pay Day

Bildquelle: Unsplash

Heute, am 07. März 2022 und damit einen Tag vor dem feministischen Kampftag, findet der offizielle Equal Pay Day in Deutschland statt. Der Equal Pay Day ist ein internationaler Aktionstag, an dem jährlich eine Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern gefordert wird. Das Datum ist dabei kein willkürliches – bis heute arbeiten Frauen rechnerisch gesehen unbezahlt, während Männer schon ab dem ersten Tag des Jahres ihren Lohn erhalten.

„Super Sache, dass so pauschal zu sagen“, schrieb mir im vergangenen Jahr jemand, als ich auf den Equal Pay Day in Österreich aufmerksam machte.  „Falls es dich beruhigt, die Frauen, die mit mir Wirtschaftsinformatik im Bachelor studiert haben, haben genau das gleiche Angebot bekommen, wie ihre männlichen Kollegen.“

Ich war wütend. Eine männliche Person, mit der ich im Leben nicht mehr als ein paar Worte gewechselt habe, sendete mir ellenlange Nachrichten darüber, wie meine Realität als Frau in der Arbeitswelt eigentlich aussieht. Natürlich will ich bestätigen, dass es gut ist, dass Männer und Frauen nach dem Wirtschaftsinformatikabschluss das gleiche Angebot bekommen haben. Aber das beruhigt mich nicht. Im Gegenteil – ich bin bestürzt, dass im Jahr 2022 immer noch über Gleichberechtigung in der Arbeitswelt geredet werden muss. Und dass es nicht überall so aussieht wie im benannten Wirtschaftsinformatikstudium, zeigt ein Blick auf den Gender-Pay-Gap, wobei hier zwischen der bereinigten und unbereinigten Version unterschieden werden muss.

Der unbereinigte Gender-Pay-Gap zeigt die reine Differenz der durchschnittlichen Bruttoverdienste von Frauen und Männern. Hierbei werden keine lohndeterminierende Faktoren berücksichtigt. Das bedeutet, dass Faktoren wie die Qualifikation, das Berufsfeld oder die Beschäftigungsart der von Frauen und Männern gewählten Arbeit nicht berücksichtigt werden. Es geht also in die Berechnung mit ein, dass mehr Frauen in geringer bezahlten Berufen arbeiten, als Männer.

Das Statistische Bundesamt gibt für das Jahr 2020 einen unbereinigten Gender-Pay-Gap von 18% an.

Die Person, die mir letztes Jahr geschrieben hat, erklärte mir diese Lücke folgendermaßen: „ […] dass Frauen lieber in schlechten Berufen arbeiten, entscheiden sie ja selber… Männer entscheiden übrigens auch für sich selbst und verspüren womöglich auch Druck, mehr verdienen zu müssen, vielleicht sollte man darüber auch mal nachdenken…“

Die Ernsthaftigkeit, die dieser Nachricht innewohnt, verblüffte mich. Hätte ich es nicht besser gewusst, wäre das für mich als wahnsinnig schlechter Scherz durchgegangen. Ich möchte hier nicht Männern Raum geben, die sich hinterfragen, ob sie wirklich in der Führungsposition sein wollen, in die sie problemlos gekommen sind. Ich möchte die Frauen hervorheben, die für viele Führungspositionen nicht einmal in Frage kommen und das vor allem aus dem Grund, dass sie schwanger werden und dann womöglich mit dem Baby zu Hause sitzen könnten. Diese Frauen bügeln Vorstellungen eines Rollenbildes aus, das längst überholt ist. Nicht jede Frau wird Mutter oder will es werden.

Nicht jede Frau, die Mutter wird, behält ihr Kind. Nicht jede Frau, die Mutter wird, bleibt mit dem Kind zu Hause. Und selbst wenn eine Frau mit ihrem Kind zu Hause bleibt, ist das kein Grund, sie nicht in einer Führungsposition einzustellen.

Die Nachrichten gingen aber noch weiter: „Und die Frau, die sich entscheidet, Friseurin zu werden, weiß ja, dass das kein Beruf ist, bei dem man reich wird. Der Mann, der lieber KFZ-Mechaniker als Friseur wird, weiß, dass er dort zumindest etwas mehr verdienen kann als als Friseur, also ich verstehe das Problem nicht…“ 

Ich möchte hier eine Sache klarstellen: Es gibt ein Problem. So einfach wie es hier beschrieben wurde, ist das Ganze nicht. Die Lösung kann nicht sein, dass Frauen sich für Berufe entscheiden, die größtenteils noch männlich dominiert sind.

Margarete Stokowski schreibt dazu: „Es reicht nicht, wenn Frauen einfach ‚Männerberufe‘ anfangen: Dann entwickeln sich die Löhne in diesem Bereich schlechter. Frauen bringen ihren Nachteil sozusagen mit, selbst wenn sie versuchen, ihm zu entkommen. Als Frauen begannen, in Gärten und Grünanlagen zu arbeiten oder Designerinnen zu sein, sanken die Löhne in diesen Bereichen, während das Programmieren, das mal eine typisch weibliche Beschäftigung war, mit der Zeit von Männern übernommen und besser bezahlt wurde.“ 

Wenn man es aus dieser Perspektive betrachtet, ist es eigentlich lustig, dass mir der freundliche Wirtschaftsinformatiker letztes Jahr nicht geschrieben hat: „Falls es dich beruhigt, die Männer, die mit mir Wirtschaftsinformatik im Bachelor studiert haben, haben genau das gleiche Angebot bekommen, wie ihre weiblichen Kolleginnen.“

Da sind wir wieder bei dem Thema der Gleichberechtigung in der Bezahlung. Wenn es um diese Thematik geht, ist der bereinigte Gender-Pay-Gap noch interessanter als die unbereinigte Version. Dieser erlaubt Aussagen zur Höhe des Unterschieds im Bruttoverdienst von Frauen und Männern mit vergleichbaren Eigenschaften. Strukturbedingte Faktoren sind hier weitgehend herausgerechnet. 

Trotz äquivalenten Qualifikationen und vergleichbaren Tätigkeiten verdienten Arbeitnehmerinnen im Jahr 2018 im Durchschnitt 6% weniger als Männer. Diese Angabe beruht auf der Verdienststrukturerhebung, die nur alle vier Jahre ausgeführt wird. Es wird also spannend, ob sich die Zahl bis zu diesem Jahr verändert hat, denn Gleichberechtigung sieht nicht nach 6% aus.

Was klar ist – wenn es so weitergeht wie bisher, wird es laut dem Global Gender Report 2015 noch eine Weile, um genauer zu sei um die 100 Jahre, dauern, bis es wirklich Gleichberechtigung in der Arbeitswelt gibt.

Jeder Prozent des bereinigten Gender-Pay-Gap ist einer zu viel. Ich möchte nicht abwarten, denn in 100 Jahren, wenn es die ersehnte Gleichberechtigung geben soll, bin ich schon tot. Ich möchte laut sein und gegen diejenigen anreden, die meine Realität nicht anerkennen. Und damit bin ich nicht allein. Ich bin davon überzeugt, dass wir einen schnelleren Wandel bewirken können, wenn wir gemeinsam laut sind.

Der heutige Tag kann ein Anlass sein, sich vermehrt mit dieser Ungerechtigkeit zu befassen oder erst davon zu erfahren – die 364 anderen Tage im Jahr sind dazu da, die geforderte Gleichberechtigung umzusetzen und weiterzukämpfen. Das geht im Großen wie im Kleinen – und wenn es auch nur die Nachrichten eines Wirtschaftsinformatikers sind, mit denen man sich auseinandersetzt.

Jede Auflehnung zählt!

Lisa Skamira

Lisa ist 21 Jahre alt und studiert Deutsche Sprache und Literatur und Medienkulturwissenschaft an der Uni Köln. In ihren Canapé-Texten vereint sie gleich mehrere ihrer Leidenschaften: das Schreiben, den Feminismus und die Literatur. Ob angemessen oder nicht – für jede Situation kennt Lisa einen geeigneten Otto Waalkes-Witz.

@lisi.marie

Previous Story

Gegenwind statt Rückenwind – So träge fühlt sich Klimaschutz gerade an

Next Story

Wie feiert man den feministischen Kampftag?

Das neueste von Politik & Gesellschaft