Mommy issues hier, daddy issues da. Emotional distanzierte Eltern sowieso. Gerade auf TikTok ist es in unserer Generation weit verbreitet, Witze darüber zu machen, wie Eltern (unabsichtlich) mentale Probleme bei uns auslösen. Ich kann mir gut vorstellen, dass bis zu einem gewissen Level da wahrscheinlich viele mitreden können. Schließlich sind auch Eltern nicht perfekt.
Die WHO definiert mentale Gesundheit nicht nur als Abwesenheit einer psychischen Erkrankung, sondern auch als das Vorhandensein von seelischem Wohlbefinden. Auf beide Aspekte haben Eltern und die Erziehung einen großen Einfluss. Es steht außer Frage, dass Gewaltanwendung, Manipulation und Missbrauch eine negative Auswirkung auf die psychische Gesundheit und die Entwicklung von Kindern haben. Aber für genetische Veranlagungen, die bestimmte psychische Erkrankungen begünstigen, können die Eltern wenig. Deswegen soll es hier vor allem darum gehen, dass auch Eltern, die versuchen, ihr Bestes zu geben, Fehler machen können.
Gerade die Mutter-Tochter-Beziehung hat viel Potenzial für Probleme, schreibt der Focus Online. Wie oft habe ich mich schon mit Freund:innen darüber unterhalten, wie sehr das Diät-Gerede unserer Mütter und ihre Kritik am eigenen Körper uns als Töchter unbewusst mit beeinflusst hat. Ich bezweifle, dass irgendeine unserer Mütter sich darüber bewusst ist, was sie mit ihren eigenen Unsicherheiten bei uns ausgelöst hat. Und keine von ihnen wird das absichtlich getan haben. Es ist nur ein Beispiel von vielen, wie schnell es gehen kann, dass Eltern eigene Probleme auf ihre Kinder übertragen, ohne es zu wissen oder zu wollen.
Viele Konflikte haben laut Focus Online einen transgenerationalen Hintergrund. Das bedeutet, dass die Erfahrungen, die Eltern in ihrer eigenen Kindheit mit ihren Eltern gemacht haben, sie geprägt haben und sie diese jetzt in ihre eigene Elternrolle mitnehmen. Es betrifft nicht nur die Erfahrungen, sondern auch Verhaltensweisen, Bindungs- und Erziehungsstile, die sie als Kinder gelernt haben und an ihre Kinder, also uns, weitergeben.
Auch wenn sich viele von uns schwören, nicht so zu werden wie unsere Eltern oder einige Dinge in der Erziehung besser zu machen, klappt das meist weniger gut. Denn im Unbewussten ist alles unbewusst Erlernte noch da und wird leider so viel zu oft ungefiltert an die Kinder weitergegeben.
Das kann sich beispielsweise darin zeigen, wie bei uns im Elternhaus mit Nähe, sowohl körperlicher als auch emotionaler, umgegangen wird. Auch hohe Erwartungen an uns Kinder oder inwiefern wir mit unseren Eltern über vertrauliche Themen sprechen können sind Probleme, die die Beziehung belasten und womit wir später Probleme haben können. Denn klar, wenn zum Beispiel Emotionen zuhause nie ein Thema waren, wie sollen wir dann als junge Erwachsene wissen, wie wir mit ihnen umgehen sollen?
Wirklich klar wurde mir das auch erst, als ich ausgezogen bin und mich losgelöst habe von zuhause und meinen Eltern. Ich war plötzlich viel mehr auf mich alleine gestellt, knapp 200 Kilometer von meinen Eltern entfernt, und musste schauen, wie ich zurecht komme. Erst dann habe ich gemerkt, wie sehr meine Eltern mich geprägt haben und vor allem was ich alles von zuhause mitgenommen habe. Seit fast 4 Jahren wohne ich in meiner Studienstadt und ich weiß immer noch nicht, wie ich mit Menschen umgehen soll, die schlechte Laune haben oder wie ich darüber reden soll, wie ich mich fühle.
Durch die Distanz nach dem Umzug und den Fakt, dass ich hier mein eigenes Leben führe, hat sich das natürlich gebessert. Aber jedes Mal, wenn ich wieder in der Heimat zu Besuch bin, merke ich, was für einen Einfluss meine Eltern immer noch auf mich haben.
Letztendlich ist es immer eine Frage davon, wie sowohl man selbst als auch die Eltern damit umgehen. Hat man selbst die Ressourcen, die entstandenen Probleme anzugehen, kommt vielleicht auch eine Therapie in Frage? Bieten die Eltern Raum zum Reden, sind sie bereit Fehler einzugestehen? Natürlich muss jede:r schauen, was am besten für die eigene Situation ist, und wie das Verhältnis zu den Eltern ist. Aber ihnen gegenüber offen zu sein und zu reden kann oft schon ein großer Schritt in die richtige Richtung sein.