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Das erste Mal komplett alleine reisen – von Angst, Überwindung und dem Fallen lassen

Quelle: pexels.com

Reisen ist etwas wundervolles – nicht umsonst steht in gefühlt jeder zweiten Tinder oder Instagram Bio „Travel ✈️“. Wer genug Zeit hat und es sich leisten kann, ist viel in der Welt unterwegs, aber auch die deutsche Durchschnittsfamilie fährt einmal im Jahr nach Italien. Was die meisten Freizeit-Reisenden gemeinsam haben? Sie reisen selten alleine.

Allein so zu verreisen, habe ich bisher auch noch nicht gewagt. Ich hatte nach meinem Abitur weder die Zeit noch das Geld, eine Weltreise zu machen, und ich gebe zu, eigentlich hatte ich auch gar nicht geplant, alleine reisen zu gehen. Dadurch aber, dass ich aktuell an einem Punkt in meinem Leben bin, an dem ich genug Geld und Urlaubstage habe, um das Mal eben spontan auf die Beine zu stellen, entschied ich mich spontan dazu, Anfang Oktober knappe 2 Wochen rumzureisen. Eine Weltreise alleine sollte es zwar nicht werden – dafür sind 2,5 Wochen Urlaub dann doch zu wenig – aber ich wollte Europa immer etwas besser kennenlernen. 

Dazu kam, dass meine Freunde, mit denen ich normal in den Urlaub fahre, aktuell im Bachelor-, Diplom- oder Arbeitsstress sind. Also blieb mir nichts anderes übrig, als meine Tour alleine zu starten. Aber ich gebe zu, ich habe mich auch darauf gefreut – ganz allein, keine Kompromisse, keine Diskussionen.

Für meine finalen Reisepläne habe ich dann drei europäische Großstädte besucht: Hamburg – Berlin – Prag. Hamburg und Berlin kannte ich ein wenig, Prag war mir völlig fremd. Was mir beim Planen aber immer wichtig war: nur Städte auszuwählen, die für Alleinreisende sicher sind. Heißt: niedrige Kriminalitätsrate, Erfahrungen von Freunden und Bekannten zu der jeweiligen Stadt und eine schnelle Google-Recherche zu sicheren Städten.

Meine Ängste – oder viel mehr – Bedenken

Ich hatte meine Bedenken, ob das Reisen sicher ist, wenn ich alleine bin. Seien es Überfälle, Kidnapping oder einfach nur unangenehme Menschen. Das kann man je nach Stadt zwar schon etwas einschätzen, aber nie ganz planen. Ich war also immer etwas angespannt, wenn ich abends nach einer Tour durch die Stadt alleine zu meinem Hostel zurückgegangen bin. Geholfen hat es hier, Freunden per WhatsApp Bescheid zu geben, so viel wie möglich in gut besuchten öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein oder nur beleuchtete Straßen entlang zu gehen.

Auf sozialer Basis hatte ich in erster Linie Angst vor den Blicken und Gedanken der Leute um mich herum. Warum reist diese Person allein? Warum setzt sie sich allein in ein Café? Am Ende meiner Reise war diese Angst aber recht gut verflogen, denn andere Menschen haben ihre eigenen Probleme und in einer fremden Stadt interessiert es niemanden, ob du jetzt alleine oder mit Freunden oder Familie reist.

Ein weiterer Punkt, über den ich mir Sorgen machte, war ganz einfach Langeweile. Die Vorstellung, ganze Tage in einer fremden Stadt zu füllen, erschien mir unmöglich, denn ich langweile mich sehr schnell, brauche immer neue Eindrücke. Doch auch diese Sorge stellte sich letztendlich als unbegründet heraus, denn ich habe im voraus zwei bis drei Touren gebucht und so immer gut die Zeit füllen können. Darüber hinaus habe ich in jeder Stadt Leute kennengelernt – teils auch Alleinreisende – mit denen ich dann Essen oder in Bars war. Langeweile ist am Ende also tatsächlich keine aufgekommen, denn auch wenn nichts geplant war, war einfach rumlaufen und die Städte erkunden immer ein guter Zeitvertreib.

Allein, und dann doch nie so richtig

Ich bin es gewohnt, im Urlaub immer Leute um mich herum zu haben, Freunde, Familie, Bekannte. Immer ist was los – aber mit Leuten, die man kennt – was irgendwie eine Art Privatsphäre für sich ist. Ob nun in einem Hotelzimmer oder in einer Ferienwohnung spielt dabei keine Rolle, denn die Umgebung ist vertraut.

Für meine Reise habe ich mich dann aber dazu entschieden, Mehrbettzimmer in Hostels zu buchen. Mir war klar, dass das eine Komfort-Einbuße bedeutete. Meist bin ich dann in 6- bis 8-Bett Zimmern gelandet, Mal mit Bad im Zimmer (mit eiskaltem Wasser), Mal mit Bad auf einem ganz anderen Stockwerk. Auch die Leute hätten von Stadt zu Stadt nicht unterschiedlicher sein können. In Hamburg hatte ich im Stockbett über mir jemanden, der so laut schnarchte, dass ich in dieser Nacht kein Auge zugemacht habe. In Berlin teilte ich mir das Zimmer mit zwei französischen Mitbewohnerinnen, die bis morgens um 2 Uhr lautstark miteinander redeten, in Prag ein Betrunkener, der dann einfach im Bad geschlafen hat, bevor er am nächsten Morgen direkt um 6 Uhr wieder auscheckte. Alles in Allem war die Hostel Experience eine interessante, die ich aber jederzeit wiederholen würde, nicht nur des Preises wegen – auch die Gespräche, die ich führen durfte, waren sehr sympathisch.

Auch interessant für mich war das alleine in Restaurants Essen gehen und allgemein ohne Gesellschaft zu essen – zum Beispiel Frühstücken in Cafés – was mir nicht schwer gefallen ist. Alleine Frühstücken fühlt sich weniger „alleine“ an als sich abends auf einen Cocktail alleine in eine Bar zu setzen, was ich bis zum Ende meiner Reise kein einziges Mal gemacht habe.

Während man beim Frühstück oft einzelne Leute dabei beobachten kann, wie sie im Café vor ihren Laptops sitzen, ist kaum jemand alleine in einer Bar, auch alleine Alkohol trinken ist etwas, das ich so nicht mache.

Fazit zum alleine Reisen

Alles in allem kann ich jedem, der das noch nicht gemacht hat, nur empfehlen, einmal alleine zu reisen. Es müssen nicht gleich drei Monate Südamerika sein, aber einfach Mal machen, worauf man selbst Lust hat, keine Kompromisse eingehen zu müssen. Ob man um 6 Uhr aufsteht, um sich den Sonnenaufgang in einer fremden Stadt anzusehen, oder bis um 12 Uhr mittags schläft, ohne dass sich jemand beschwert, man würde alles verpassen. Solange man ein wenig vorplant und sich Tipps anderer Alleinreisender ansieht, aber auch nicht davor scheut, sich treiben zu lassen, kann es eine tolle Erfahrung sein, sich alleine auf die Reise zu begeben.

Caro Stengl

Caro ist 22 Jahre alt und arbeitet im Marketing einer VR Bank in der Nähe von München. Nebenbei studiert sie berufsbegleitend und ist in ihrer Freizeit gerne kreativ unterwegs. Bei Canapé ist Caro teil des LitWoch-Teams und schreibt auch hin und wieder über andere Themen.
Random fact: Sie kennt mehr Fakten über Tauben als dir vielleicht lieb wäre.

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