Disclaimer: Ich bin eine heterosexuelle cis-Person und identifiziere mich als Frau. Behandelt werden in diesem Artikel meine Erfahrungen und die meiner Freundin Laura. Es soll angeführt werden, dass sich der Artikel mit einvernehmlichen Beziehungen mit Altersunterschieden befasst.
Erzähle ich in meinem Umfeld von meinem Freund, lautet daraufhin oft eine der ersten Fragen: „Ach, und wie alt ist er denn?“ Wenn ich dann antworte, dass er ein Jahr älter ist als ich, erwidert mein Gegenüber in den meisten Fällen: „Ach, das geht ja.“ Diese Bemerkung wird dann von mir abgenickt – was soll ich auch entgegnen?
Über das Alter meines derzeitigen Beziehungspartners habe ich mir nie großartig Gedanken gemacht. Allerdings habe ich eine sehr gute Freundin namens Laura, die mich dazu bringt, das Thema des Alters in romantischen Beziehungen immer mehr zu reflektieren. Mit kaum jemandem kann ich so gut, so ausgiebig, so lange und offen über Beziehungen, Liebe und Sex reden, wie mit ihr – zwischen uns gibt es keine Tabus.
Vor kurzem hat sie mir von einem Erlebnis auf einer Geburtstagsfeier erzählt, die sie mit ihrem Freund besuchte. Es waren vor allem Freund:innen ihres Partners zu Gast. Ein Kind hat sich an diesem Abend auf ihren Schoß gesetzt und Laura nach ihrem Alter gefragt, woraufhin sie dem jungen Mädchen mitgeteilt hat, dass sie 22 sei. Als Reaktion auf diese Antwort guckte das Kind Lauras Partner an und fragte sie: „Und wie alt ist dein Papa?“
Zwischen Laura und ihrem Freund liegt ein Altersunterschied von 18 Jahren.
Scheinbar wachsen wir also schon mit gewissen Vorstellungen auf, wie das Alter unserer Partner:innen in romantischen Beziehungen am besten auszusehen hat.
In einer Umfrage aus dem Jahr 2019 wurden rund 1000 Menschen danach gefragt, welcher Altersunterschied zu einer:einem (möglichen) Beziehungspartner:in für sie in Frage käme, wobei die Antworten in den binären Geschlechtskategorien „Männer“ und „Frauen“ ausgewertet wurden. 17% der Männer und 18% der Frauen antworteten, dass der:die Partner:in ungefähr so alt sein solle, wie die Person selbst. 20% der Männern und Frauen gaben an, dass das Alter für sie überhaupt keine Rolle spiele. Interessanterweise wünschten sich nur 1% der Frauen und 2% der Männer, eine:n Partner:in, der:die über 10 Jahre älter sein solle. In diese Minderheit fällt also auch Lauras Beziehung. Warum wird überhaupt so ein Aufruhr um das Alter gemacht?
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mir im Alter von 10 Jahren diverse Zeitschriften, wie die Hey, Popcorn oder die Bravo durchgelesen habe. Mein persönlicher Favorit der dort abgebildeten Stars war mit Abstand Zac Efron, den ich vor allem aus den High School Musical-Filmen kannte. Ich weiß noch, wie ich in meinem Bett lag und mit meinen Fingern abgezählt habe, wie viele Jahre uns trennen. Als ich 10 Jahre alt war, war Zac Efron bescheidene 24. Dennoch wurde er in der Bravo als DER Schwarm dargestellt – ohne jeglichen Hinweis darauf, dass es für junge Mädchen wie mich verwerflich sein könnte, ihn anzuhimmeln.
Die Legitimität dieser Zeitschriften in jeglichem Sinne soll erst einmal dahingestellt werden. Aber ich kann eine Kurve beobachten: Als ich mit 10 für Zac Efron geschwärmt habe, war das vollkommen in Ordnung. Meine Eltern konnten das sogar nachvollziehen. Die beiden haben gern mit mir High School Musical geguckt und der singende Basketballer war einfach ein cooler Typ. Warum ist es jetzt auf einmal nicht mehr in Ordnung, für jemanden zu schwärmen oder jemanden zu daten der:die so viel älter ist?
Laura kennt ihren Partner aus der Schule, denn er war früher ihr Lehrer. Was für sie lange eine Schwärmerei war, die sie viele Jahre für sich behielt, kann sie heute mit ihm ausleben und damit so offen umgehen, wie sie will.
Wenn ihr Freund zum Gesprächsthema wird, bekommt sie von den meisten Menschen eine sehr positive Reaktion. Oft begegnen ihr Gleichaltrige fasziniert, drücken Bewunderung aus und sagen so etwas wie „Ich fand meinen Lehrer früher auch cute, aber hätte mich nie getraut, daraus etwas zu machen!“
Dagegen scheint das Alter im Freund:innen- und Bekanntenkreis ihres Partners noch ein größeres Tabuthema zu sein. Aber auch das ist im engsten Umfeld der beiden kein Problem mehr.
Erst beim gemeinsamen Ausgehen fällt ihnen der Altersunterschied besonders auf. „Zum Beispiel wenn wir beide ein fancy Outfit anhaben, glaube ich, dass manche Leute an dieses Suggardaddy-Ding denken und gucken uns dann an”, erzählt Laura. Diese Blicke kommen vor allem von erwachsenen Männern. Doch Laura kann mit diesen Blicken gut umgehen, sie reagiert humorvoll und neugierig. Anstatt sie zu verurteilen, beobachtet sie die Männer, die ihnen diese Blicke verpassen und fragt sich, was wohl in diesem Moment in ihren Köpfen abgeht. Diese vereinzelten Blicke fallen für sie ansonsten ganz und gar nicht ins Gewicht.
Lauras Erläuterungen ihrer Beziehung zeichnen ein bemerkenswertes Bild. Durch die Lebenserfahrung ihres Partners lernt sie sehr viel von ihm. Ihr tut es gut, jemanden an der Seite zu haben, der Verantwortung tragen kann, denn sie hätte keine Lust, diese für ihn zu übernehmen. Laura reflektiert, wie gut sie sich beide durch ihre jeweiligen Eigenschaften und Wahrnehmungen ergänzen. Auf diese Weise hatte sie das in vorherigen Beziehungen mit Gleichaltrigen nicht erlebt.
Die Bereicherung, die beide durch den Altersunterschied erfahren, wird leider oft übersehen. Daran schließt auch Lauras Wunsch an: sie hofft in jeglichem Sinne auf ein offenes Mindset von Menschen, die sich zu schnell auf äußere Dinge konzentrieren und die beiden daraufhin verurteilen. Dabei wünscht sie sich, dass Menschen so gesehen werden, wie sie persönlich sind – in diesem Fall: wie glücklich sie in der Beziehung mit ihrem Freund ist. Das soll wahrgenommen werden und nicht, der Altersunterschied zwischen den beiden.
Ich kenne Laura nun schon eine ganze Weile und kann bestätigen, dass ich sie nie so ausgeglichen und glücklich erlebt habe, wie in den letzten anderthalb Jahren, seitdem sie mit ihrem Partner zusammen ist.
Meine Mitbewohnerin sagt manchmal auf ironische Weise, wenn jemand die Welt verbessern möchte und ein Thema aufgreift, das schon oft durchgekaut wurde: „Ach ja, we live in a society…“ Und das stimmt. Ja, „we live in a society“, in der das Alter in Beziehungen eine große Rolle spielt. Und das ist okay, wie sollte es auch anders funktionieren? Aber die Bewertung dieses Alters in betont einvernehmlichen Beziehungen sollte überdacht werden und ich glaube, dass da jede:r bei sich anfangen kann. Natürlich ist das ein Prozess – die Vorstellungen von romantischen Beziehungen sind in vielerlei Hinsicht von überholten Standards geprägt. Oft ist es nicht einfach, sich dessen bewusst zu werden, denn man sieht sie überall – so wie das Kind, was deshalb Lauras Partner mit ihrem Vater verwechselt hat. Es liegt an uns, diese „Standards” aufzubrechen und sie nicht weiterzutragen. Keine unangebrachten Blicke mehr zu verteilen, sondern Räume öffnen in denen Menschen dazu ermutigt werden auszuleben, wer und wie sie nunmal sind.