Beach statt Burnout: Wie will die GenZ in Zukunft arbeiten?

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In meiner Traumwelt reise ich als Journalistin durch die Welt – Bestsellerautorin wäre alternativ auch in Ordnung. Ich spreche tagtäglich mit spannenden Menschen und verkaufe meine Texte, Fotos oder Filme für viel Geld. Im Idealfall habe ich eine Festanstellung bei einem großen Medienhaus in Deutschland, für das ich unentbehrlich bin und das mich in die entlegensten Ecken unserer Erde schickt. 

Seitdem ich ernsthaft darüber nachdenke, was ich einmal werden möchte, steht Selbstverwirklichung ganz weit oben auf meiner Prioritätenliste. Ich habe immer viel darüber nachgedacht, wo meine Talente liegen und was mir Spaß macht. Ich hatte nie Angst davor, keinen Job zu bekommen, ich habe Angst davor, einen Job zu bekommen, in dem ich mich nicht selbst verwirklichen kann – eigentlich ein ziemlicher Luxus.

Erwartungen an die Arbeitswelt

Selbstverwirklichung spielt in unserer Generation eine größere Rolle denn je. In einem Instagram Beitrag von ZDFheute, wird erklärt: “Besonders für die GenZ muss Arbeit nicht nur Geld einbringen. Arbeit muss auch: Spaß machen, bereichern, erfüllend sein.” Gleichzeitig sehen wir bei unseren Eltern, was wir nicht wollen. Endlose Überstunden, schlichte Erschöpfung nach einem Arbeitstag und die große Freude aufs Wochenende. Über neue Konzepte wie die 4-Tage-Woche wird viel gesprochen und anderswo (z.B. in Spanien und Belgien) bereits getestet. In Deutschland dagegen kommen grandiose neue Ideen wie die 42-Stunden-Woche zur Sprache. Diese stoßen nach meinem Eindruck vor allem, aber nicht nur bei der Generation Z auf wenig Begeisterung.

Gerhard Matzig ist Autor bei der Süddeutschen Zeitung und bezeichnet uns ganz liebevoll als “Zler”. In einem Essay zeigt er auf, woher unsere Erwartungen an die Arbeitswelt kommen. Anscheinend haben wir doch ganz schön viel zu bieten: Die Generation Z sei so gut ausgebildet wie keine Generation zuvor – über die Hälfte von uns dürfe studieren. Gleichzeitig profitieren wir vom demografischen Wandel und der damit einhergehenden niedrige Jugend- und Gesamtarbeitslosigkeit bei steigendem Fachkräftemangel. Das Fazit: Faul seien wir wohl nicht. Wir wollen doch einfach nur einen Sinn in unserer Arbeit sehen und auf keinen Fall unsere Eltern zum Vorbild nehmen.

Zwischen Träumerei und Tränen

Selbstverwirklichung in allen Ehren, aber andere Aspekte des Arbeitslebens scheinen uns mindestens genauso wichtig zu sein. Sicherheit und Flexibilität zum Beispiel. Die Prioritätenliste mag bei jedem etwas anders aussehen und klar, nicht jeder GenZ-ler möchte einen Großteil der Arbeitszeit im Homeoffice verbringen. Unsere Arbeits-Traumwelt bleibt letztlich individuell und oft kann sie so auch gar nicht existieren. Und das fängt schon an, bevor man überhaupt mal richtig arbeitet. Unzählige unbezahlte Praktika, Bewerbungsmarathons, Überstunden schieben und dann soll man auch noch überall herausstechen mit seinen Kompetenzen und natürlich seiner authentischen, unverwechselbaren Art. Denn was ist heutzutage noch wichtiger als Individualität?

Abgesehen von dem anfänglichen Stress, der uns in diese Arbeits-Traumwelt leiten soll, finden wir uns aber meist schon viel früher in der Arbeitswelt wieder. Insbesondere in Studierendenkreisen oder auch während der Schulzeit kommt meistens noch ein Nebenjob dazu, der einem auch noch mal genau zeigt, was man nicht möchte. 

Ich stand während des Studiums beispielsweise mal ein halbes Jahr lang an der Kasse in einem Buchladen. Das war nicht der schlechteste Job, denn ich mochte das Umfeld sehr gerne. Trotzdem war ich nach jedem Arbeitstag froh, dass ich nicht für immer an dieser Kasse stehen werde. Und jedes Mal kam mir dieser Gedanke ziemlich uncool vor, weil einige meiner Kolleg:innen das in Vollzeit und ihr Leben lang machen – wie so viele Menschen. Aber mir war oft furchtbar langweilig und naja, der Teil mit der Selbstverwirklichung hat mir auch gefehlt. Da habe ich mir die Frage gestellt: Darf Arbeit auch einfach mal scheiße sein? Das Ergebnis meiner Gedankenwanderung: Wahrscheinlich schon und vielleicht ist dieses Selbstverwirklichungsding manchmal auch ein bisschen übertrieben.

Ich bin trotzdem froh darüber, dass ich mich an der Selbstverwirklichung versuchen darf – unabhängig davon, ob es am Ende klappt oder nicht. Die vielen schlecht bezahlten Praktika sind eigentlich ein ziemliches Privileg und so auch Fluch und Segen zugleich.

Johanna Pichler

Johanna ist 23 Jahre alt und studiert Journalismus in Magdeburg. Bei Canapé schreibt sie über Themen, die unsere Gesellschaft und vor allem junge Menschen betreffen. Außerdem probiert sie sich in Sachen Social Media aus. In ihrer Freizeit ist Johanna übrigens auch eigens ernannte Expertin für Trash-TV.

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